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Sleepy Hollow - Köpfe werden rollen

Sleepy Hollow - Köpfe werden rollen

Ein Film von Tim Burton

„Katrina, why are you in my room?”
„Because it is yours.”


Es gibt sie scheinbar überall, diese seltsam anmutenden Fleckchen Erde, welche einem kein Verzücken entlocken, sondern vielmehr kalte Schauer über den Rücken laufen lassen. Nebelschwaden, die man mit einem normalen Messer schneiden könnte, vereinen sich mit Vorliebe in den dunklen Abendstunden mit diversen Geräuschen aus weiter Ferne (die aber sehr nah wirkt) zu einem unheimlichen Gruselbrei, der niemandem schmeckt, aber dafür gehörig schreckt.


Es ist nicht überliefert, ob Kino-Fantast Tim Burton, der ein Faible für besondere Filmstoffe zu haben scheint, ähnlich schockierende Erfahrungen bei einem gemütlichen Abendspaziergang zu sammeln in der Lage war, ebenso wenig, ob ein Regisseur überhaupt die Zeit für ausgedehnte Spaziergänge findet. So müssen wir uns wohl oder übel mit Mutmaßungen begnügen, wenn wir aussprechen, was viele Kinogänger schon seit jeher als Faktum proklamieren: der Mann hat einfach ein (kaltes) Händchen für skurrile Filmwerke. Punkt. Woher dieses Können rührt, was auch immer diese bildgewaltigen, zuweilen phantastischen Welten in seinem Kopf entstehen lässt – wir wissen es nicht und finden stattdessen bei jedem Film aufs Neue Gefallen an Burtons sowohl visuell als auch inszenatorisch berauschenden Fantasien. Lässt man das eher enttäuschende „Planet der Affen“-Remake, das fast wie eine unkreative
Auftragsarbeit wirkte (und eben jenes wohl auch war), mal außen vor, so entführte und entführt uns Burton schon seit Jahren in fremde, mysteriöse Welten, die – zum einen in der Realität spielend, zum anderen den ganzen Film über im Reich der Fantasie angesiedelt – immer eines gemeinsam hatten und haben: die Realität, wie sie Burton zeigt, ist jedes Mal ein bewusst überspitzter Blick in einen düsteren Spiegel der Wahrheit, der noch so unnatürlich und unreal daherkommen mag – unter der Oberfläche verbirgt sich immer mehr als nur die bloße Filmwerdung einer skurrilen, schwarzhumorigen Idee. Nur sehen tut man sie meistens nicht explizit, diese Wahrheit, die – Nebelschwaden gleich – die Geschichte umhüllt, um unsere Blicke zu vernebeln.


Gut zu wissen, dass nicht nur unsereins teilweise vernebelt in Hinblick auf die Wahrheit durch die Gegend wankt, sondern auch Filmcharaktere nicht immer mit offenen Augen durch die düstere Welt stolzieren und die Augen grob fahrlässig vor dem doch so Offensichtlichen verschließen. Als wollte uns der Meister des Morbiden unseren „eigenen Nebel“ in überzeichneter Form vor Augen führen, setzt Burton Johnny Depp als Police Constable Ichabod Crane im New York des Jahres 1799 aus. Die obskuren Ermittlungsmethoden des jungen Ermittlers stoßen seinen Vorgesetzten schon lange übel auf, weshalb diese ihn kurzerhand in das verschlafene Städtchen Sleppy Hollow strafversetzen, um eine dort geschehene Mordserie aufzuklären. Seine Vorgesetzten hoffen indes primär, hierdurch der überquellenden Arroganz Ichabods Einhalt zu gebieten. Denn was Ichabod in Sleepy Hollow erwartet, ist fast schon zu gruselig, um wahr zu sein: angeblich soll ein hessischer Söldner, der im amerikanischen Unabhängigkeitskampf gekämpft und am Ende enthauptet wurde, wieder zum Leben erwacht und für die zahlreichen Morde verantwortlich sein.


Doch Crane, stur wie eh und je, glaubt nicht an unnatürliche Geschehnisse und versucht, eine logische Erklärung – und damit einen Täter aus Fleisch und Blut – zu finden. Nicht einmal der brutale Mord am jungen Masbath (Marc Pickering), der Ichabod bis kurz vor der Tat zusammen mit der hübschen Katrina van Tassel (Christina Ricci), der Tochter des Gastgebers, bei der Jagd nach Antworten unterstützt hat, kann den Police Constable von seiner starren Haltung und Einstellung abbringen. Ebenso wenig stimmt ihn die Tatsache um, dass die Leiche enthauptet wurde. Erst als der Bürgermeister (Richard Griffiths) vor Cranes Augen vom wahrhaftigen Kopflosen Reiter geköpft wird, beginnt Ichabod, seine bisher engstirnige Sichtweise anzuzweifeln. Sollte es sich hier wirklich um ein übernatürliches Phänomen handeln? Warum ermordet der unheimliche Reiter scheinbar wahllos die Bürger von Sleepy Hollow? Bei seinen Ermittlungen, in deren Verlauf noch mehrere Köpfe rollen werden, stößt Crane auf ein unglaubliches Geheimnis, das nicht nur ihn, sondern auch die von ihm angebetete Katrina in tödliche Gefahr bringt.


Entschleiern wir kurz die Fakten. Das gewohnt ironische Gruselmärchen „SLEEPY HOLLOW“ aus dem Jahre 1999 basiert lose auf einer Kurzgeschichte des 1859 verstorbenen Schriftstellers Washington Irving, die den Titel „The Legend of Sleepy Hollow“ trägt. Da wie dort ist Dreh- und Angelpunkt die sagenumwobene Geschichte des Kopflosen Reiters, der nachts sein Unwesen treibt. Hier enden dann aber auch fast die Gemeinsamkeiten. Ichabod Crane – in Wirklichkeit trug diesen Namen ein gefallener Soldat, dessen Grab noch immer in Staten Island besichtigt werden kann – war in der Vorlage nur ein Schulmeister aus Pennsylvania, Katrina weder besonders hübsch noch ansehnlich, sondern einfach nur reich. Drehbuchautor Andrew Kevin Walker nahm diese Grundpfeiler, auf deren Basis Kevin Yagher seine Screen Story aufbaute, und entwickelte hieraus eine sowohl düstere als auch atmosphärisch fesselnde Grusel-Mär, die in Tim Burton den einzig würdigen Regisseur finden sollte. Bereits 1949 hatte der Disney-Konzern mit seiner Zeichentrickversion zu „Die Legende von Sleepy Hollow“ eindrucksvoll bewiesen, dass Horror und dezent gesetzte Humoreinlagen durchaus gut miteinander auskommen können. Burton, der dies schon immer gewusst zu haben scheint, schuf daraufhin mit überraschender Leichtigkeit eine erschreckend düstere Version des Klassikers, die technisch und in spielerischer Hinsicht durchweg überzeugen kann.


Die nebligen, gespenstischen Setdesigns wirken wie aus einem Alptraum kopiert, in dem die Nacht schon lange das Tageslicht unter Verschluss hält, um die unheimlichsten Schattengeschöpfe vor unseren angsterfüllten Augen zu kreieren – der Weg, den die großartige Schauspielerriege um einen gewohnt souveränen Johnny Depp hier auf der Flucht vor dem Kopflosen Reiter zurücklegt, ist zweifellos so düster wie das sprichwörtliche Loch ohne Boden, in welches der Zuschauer sich auf diesem adrenalinhaltigen Trip geschubst fühlt. Depps Performance des zunächst arroganten, dann immer mehr zweifelnden Detektivs, der sich – wie passend – „kopflos“ in das Abenteuer stürzt, um den Fall zu lösen und vordergründig die Liebe von Katrina zu erhaschen, gehört zu den vielen Glanzleistungen, die der Film zu bieten hat. Denn selbst Kleinst- und Nebenrollen sind mit Großstars wie Martin Landau oder Christopher Lee ausnahmslos überaus prominent besetzt. Zudem gibt Christopher Walken als Kopfloser Reiter dem Schrecken ein absolut passendes, weil diabolisches Gesicht. Dem Mann haftet etwas Unbeschreibliches an, das ihn selbst dann noch gruselig erscheinen lässt, wenn er es gar nicht sein will. Tolle (erschreckende) Leistung!


Untermalt wird das nebulöse Geschehen von einem erwartungsgemäß gelungenen Soundtrack von Burtons Hauskomponist Danny Elfman, der die Kopfjagd jedoch teilweise fast schon zu bombastisch in musikalischer Hinsicht unterstützt. Etwas weniger hätte es auch getan. Dafür liefert die Effekt-Schmiede Industrial Light and Magic umso mehr eindrucksvolle Effekte, wobei vor allem die Realisierung des Kopflosen wunderbar gelungen ist. Und auch, wenn die gruselige Geschichte gegen Ende hin etwas konstruiert wirkt, überzeugen doch vorwiegend die überraschenden Wendungen, tolle Schauspieler und eine erstklassige, temporeiche Inszenierung, wie man sie von Burton gewohnt ist.


„SLEEPY HOLLOW - KÖPFE WERDEN ROLLEN“ ist damit auch heute noch ein Film, der einem – passend zu Halloween – zwei wunderbar gruselige und unterhaltsame Stunden spendiert und den nachts harmlos vor der Türe wabernden Nebel in einem ganz anderen, düsteren Licht erscheinen lässt. Denn – ja, und das lehrt uns der Film letztlich: Arroganz, zu starre Sichtweise in Hinblick auf Offensichtliches, das man vorsätzlich nicht verstehen will, und allzu unvorsichtiges Bewegen durch diese unsere Welt können schlimmstenfalls kopfloses, sprich: übereiltes Handeln nach sich ziehen. Ist es nun Ironie, dass man dies gerade durch einen Horrorfilm erfährt? Wahrscheinlich lautet die Antwort „Ja“, wenngleich sich der Schleier der anfänglichen Unsicherheit nur ein wenig lichtet, da wir – wie so häufig – glauben, etwas Entscheidendes übersehen zu haben. Ist es nicht immer so? Das Hinterfragen so mancher Tatbestände lenkt von der eigentlichen Wahrheit ab, weshalb uns der Sinn trotz Offenkundigkeit nicht selten verborgen bleibt. Verborgen im Nebel, der unseren Blick undeutlich werden lässt. Umso erstaunlicher das Endfazit, dass die zu Beginn erwähnten nebeligen Orte, diese besonderen Fleckchen, nach dieser Erkenntnis scheinbar gar nicht überwiegend vor der heimischen Haustür zu finden sind, sondern uns vielmehr seit jeher innewohnen.

Eine Rezension von Stefan Rackow
(31. Oktober 2007)
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Daten zum Film
Sleepy Hollow - Köpfe werden rollen USA 1999
(Sleepy Hollow)
Regie Tim Burton Drehbuch Andrew Kevin Walker Story Kevin Yagher & Andrew Kevin Walker
Produktion Larry J. Franco, Francis Ford Coppola (executive producer) Kamera Emmanuel Lubezki
Darsteller Johnny Depp, Claire Skinner, Martin Landau, Christopher Walken, Steven Waddington, Lisa Marie, Marc Pickering, Michael Gough, Ian McDiarmid, Richard Griffiths, Christopher Lee, Jeffrey Jones, Casper Van Dien, Michael Gambon, Miranda Richardson, Christina Ricci, Ray Park
Länge ca. 105 Minuten FSK ab 16 (ungeschnittene DVD-Veröffentlichung)
Filmmusik Danny Elfman
Auszeichnungen Oscar 2000 in der Kategorie "Best Art Direction-Set Decoration"
Kommentare zu dieser Kritik
Anj TEAM sagte am 31.10.2007 um 09:47 Uhr

Ich kann zu dem Film wohl nichts intelligentes sagen, da es schon zu lange her ist, dass ich ihn gesehe habe, aber cih glaube, ich fand ihn so mittelmäßig.
Was ich aber auf jeden Fall anfügen möchte (und das hätte in deine Rezension auf jeden Fall hinein gemusst), ist, dass Christina Ricci mit blonden Haaren einfach fürchterlich aussieht! ^^
Renee TEAM sagte am 19.11.2007 um 13:27 Uhr

Washington Irvings Kurzgeschichte ist nicht sonderlich lang (daher ihre Genre-Zuordnung) und widmet außerdem in ihrem kurzen Abriss der Geschichte der Beschreibung von Örtlichkeiten der Etablierung von Figurenbildern deutlich mehr Raum und Aufmerksamkeit als den unheimlichen Geschehnissen rund um den kopflosen Reiter. Daher ist der Stoff wie geschaffen dafür, als Inspirationsquelle für filmische Unterhaltung zu dienen, bietet er doch einen großartigen Aufhänger und lässt gleichzeitig jede Menge Raum für die Entfaltung der eigenen Phantasie, was den Ausbau der Geschichte angeht. Doch auch wenn Eigeninterpretationen geradezu ein Muss sind, wenn man aus der Kurzgeschichte mehr als nur einen 10-minütigen Werbefilm für Geistertouren machen will, hat es Tim Burton doch geschafft, sich in einigen Details von dem, was W. Irving vorgibt, abzuwenden. Die auffälligste Änderung ist dabei die Figur des Ichabod Crane, der von einem ortsansässigen Lehrer zu einem von außerhalb nach Sleepy Hollow geschickten Kriminalinspektor mutiert. Was die Figur im Film umso interessanter gestaltet ist ihr Hang zum rationalen Denken, der mit den übernatürlichen Geschehnissen kollidiert. Ein an Geistergeschichten gewöhnter, sie sogar leidenschaftlich aufsaugender und weitererzählender, und außerdem felsenfest an übernatürliche Phänomene glaubender Ichabod (so wie er bei W. Irving zu finden ist) wäre im Gesamtbild des Films wohl weniger aus dem Rahmen gefallen. Exzentrische Figuren machen einen Film eben immer interessanter, und mit Sicherheit hat die gewandelte Version des Charakters Johnny Depp auch deutlich mehr Spaß gemacht als es die ursprünglich gezeichnete Figur vermocht hätte. Jedenfalls bekommt man eben dieses Gefühl vermittelt, wenn man ihn auf der Leinwand beobachtet. Die Veränderungen, die an Ichabod vorgenommen wurden, scheinen der Geschichte als solcher also gut getan zu haben. Denn Tim Burtons „Sleepy Hollow“ ist definitiv ein gelungener Gruselspass.

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