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Midnighters

Midnighters

Ein Film von Julius Ramsay


HAPPY NEW GIER


Mit dem Rauchen aufhören? Mehr im Haushalt tun? Endlich anfangen, Sport zu treiben? Wir kennen sie doch alle, diese alljährlich gefassten Versprechungen an Silvester, kurz bevor die Uhr schließlich Mitternacht schlägt. Aber so plötzlich, wie das Neue Jahr in unser Leben tritt, ist es zumeist auch schon wieder vorbei mit den guten Vorsätzen, die gerne unter fadenscheinigen Schutzbehauptungen zu den anderen bereits Staub ansetzenden Leichen im Keller des Erledige ich später-Domizils gestellt werden. Dass sich so etwas später gehörig rächen kann, sollte freilich beachtet werden, vor allem, wenn man wirklich eine Leiche im Keller hat, die zu allem Überfluss gar nicht so tot wie angenommen ist. Da erhält „Erledige ich später“ dann plötzlich eine ganz andere, bluttriefende Bedeutung.


Das verheiratete und in einer Krise steckende Pärchen Jeff (Dylan McTee) und Lindsey (Alex Essoe) überfährt auf dem Heimweg von der Silvesterparty einen Mann, der plötzlich auf der Straße vor ihnen auftaucht. Geschockt und im Eifer des Gefechts beschließen sie, die Leiche vorerst zu sich nach Hause zu karren, um dann zu entscheiden, wie man sich des Problems elegant entledigt. Eher zufällig entdecken sie dabei in der Manteltasche des Fremden einen Zettel mit ihrer Wohnanschrift drauf. Während das Paar noch rätselt, was das zu bedeuten hat, entpuppt sich die vermeintliche Leiche als dann doc
h gar nicht so tot, wie sie schien! Und mit dem Erscheinen des windigen Smith (Ward Horton), der zudem noch unangenehme Fragen stellt, nimmt das blutige Unheil schließlich vollends seinen Lauf...


Eingefleischte Fans des Zombie-Hits „The Walking Dead“ kennen seinen Namen wahrscheinlich schon durch die langjährige Arbeit als Cutter bei der Serie. Aber auch als Regisseur zweier Episoden in der 4. und 5. Staffel und als Cutter bei „Battlestar Galactica“ hat sich der Emmy-nominierte Julius Ramsay in der Vergangenheit hervorgetan. Leichte Kost war also schon im Vorfeld nach diesem Oeuvre nicht zu erwarten, und in der Tat beschreibt Ramsays Debüt-Thriller „MIDNIGHTERS“ eine Spannungskurve, die sich par force, also wortwörtlich mit aller Gewalt, die die zugrundeliegende Geschichte bietet, immer weiter zuspitzt. Drehbuchautor Alston Ramsay, der hier mit seinem Bruder gemeinsame Sache macht, nimmt dabei eines der ältesten Motive der Welt zur Hand und lässt es mit der Zeit klangvoll explodieren: Gier. Wie so häufig, spielt Geld auch in der düsteren Welt von „MIDNIGHTERS“ eine nicht unwichtige Rolle, und wer es einmal hatte, weiß, dass es – überspitzt formuliert – zwar viel erleichtert, aber gleichzeitig auch viele neue Probleme schafft, die man ohne es womöglich nicht hätte. Hier wird es den Protagonisten quasi auf dem Silbertablett feilgeboten, um das große Fressen einzuläuten. Dass die Moral meist auf dem Fuße folgt, wusste allerdings schon Bertolt Brecht.


Genüsslich spicken die Ramsay-Brüder ihre Geschichte mit immer mehr Verweisen auf die Triebfeder namens „menschliche Gier“, indem sie ein anfängliches Hit & Run-Szenario in ein waschechtes Thriller-Desaster münden lassen, wo plötzlich niemand mehr dem anderen ver-, jedoch im Gegenzug alles zutraut. Die kammerspielartige Inszenierung, die sich fast ausschließlich auf das sich in Renovierung befindliche Wohnhaus von Jeff und Lindsey beschränkt, lässt dabei selbiges mittels gelungener Ausleuchtung immer unheimlicher und ja, auch todbringender erscheinen. Fast meint man, Hitchcock persönlich hätte sich nach „Psycho“ [1960] noch einmal auf die Suche nach einem gruseligen Anwesen gemacht, da Norman Bates perfekt in dieses Setting passen würde. Doch auch „MIDNIGHTERS“ kann mit tiefschwarzen Seelen, durch Gier verdorbenen Individuen und Charakteren mit düsterer Vergangenheit aufwarten, so dass seinem Fehlen am Ende des Tages nur periphere Bedeutung zukommt. Denn hier steht ganz klar die Ausformung dessen, was ein Mensch zu tun im Stande ist, auf der Tagesordnung. Mit allen (blutigen) Konsequenzen.


So ist die Gewalt in „MIDNIGHTERS“ auch niemals nur als bloßer Selbstzweck, sondern immer auch als Nebenprodukt menschlicher Gier zu verstehen. Abgesehen von einer leicht unangenehmen Folter-Szene, die jedoch vieles der Phantasie des jeweils Rezipierenden überlässt, zeigt sich Ramsays Film in der Gesamtschau zwar nicht zahm, aber immerhin derart gesittet, dass auch durchaus Zuschauer mit schwächeren Mägen einen Blick auf das neujährliche Treiben werfen dürfen. Überleben (oder eben nicht) ist hier lediglich für die titelgebenden „Mittnachtler“ eine Frage, die im Zweifel mit Blut beantwortet wird. Wir als Zuschauer sehen indes einen überaus packenden Thriller mit vereinzelt eingestreuten Horrorelementen, einer interessanten Geschichte, toll gespielten Charakteren (alleine Ward Horton, „Annabelle“ [2014], ist schon für sich großartig!) und einem tiefschwarzen Ende, das man sicherlich nicht gutheißen muss, in dieser Konsequenz aber eigentlich nur begrüßen kann. Kurzum: Hiernach giert unsereins nach mehr von den Ramsay-Brüdern.


Randnotiz: Der Film feierte am 15.09.2017 seine Internationale Premiere auf dem 24. Internationalen Filmfest Oldenburg, wo er im Rahmen der Midnight Xpress-Reihe in der OV und im Beisein des Regisseurs und seines Drehbuchautoren-Bruders gezeigt wurde. Im anschließenden Q&A gaben beide an, dass die Arbeit mit Geschwistern bestimmt nicht immer einfach gewesen sei, sich beide durch ihre Visionen aber insgesamt gut ergänzt hätten. Das merkt man dem Film auch an.


Eine Rezension von Stefan Rackow
(29. September 2017)
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Daten zum Film
Midnighters USA 2017
Regie Julius Ramsay Drehbuch Alston Ramsay
Produktion Graystone Pictures Kamera Alexander Alexandrov
Darsteller Alex Essoe, Dylan McTee, Perla Haney-Jardine, Ward Horton, Andrew Rothenberg, Joseph Lee Anderson, K.C. Faldasz, William Bloomfield, George Barber, Jessica Noboa, u.a.
Länge 94 Minuten FSK voraussichtlich ab 16 Jahren
Filmmusik Chris Westlake
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