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von Andreas Schaap




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Anything Else

Anything Else

Ein Film von Woody Allen

Man munkelt, die von Dreamworks initiierte und 10 Millionen US-Dollar teure Werbekampagne, die den Kinostart von Anything Else begleitete, hätte darauf abgezielt, den schrulligen Autorenfilmer Allen nach vergangenen kommerziellen Flops hinter sein Schauspieler-Duo zurücktreten zu lassen und vor allem das junge Publikum an die Kinokassen zu locken - Allen selbst war weder in Trailern noch auf Postern als Regisseur und Drehbuchautor herausgestellt worden. Während Jason Biggs dann wohl auch in erster Linie mit der in der jungen Altersklasse äußerst erfolgreichen American Pie-Reihe assoziiert werden dürfte, liest sich das schauspielerische Schaffen von Christina Ricci (Addams Family, Sleepy Hollow - Köpfe werden rollen, The Opposite of Sex) etwas differenzierter und tatsächlich ist es vor allem auch die in Kalifornien geborene Schauspielerin, die Anything Else nicht nur zu einem Augenschmaus macht.

Der wenig erfolgreiche Komödiant Jerry Falk (Jason Biggs) ist jung, naiv, stereotypisch langweilig und über beide Ohren in die sinnliche Amanda (Souverän süffisant: Christina Ricci) verliebt, für die er auch Hals über Kopf seine Beinahe-Angetraute verlässt. Das Problem: So libidinös ihr Auftreten, so dysfunktional ist nach einiger Zeit das Sexualleben der beiden. Hilflos muss Jerry mit ansehen, wie sich die exzentrische Theaterschauspielerin zunehmend aus dem g
eteilten Bett zurückzieht und dabei nie um eine Ausrede verlegen ist. Verzweifelt wendet er sich an seinen Bekannten und selbsternannten Mentor in allen Lebenslagen, David Dobel. Doch der zynisch-neurotische Lehrer und überzeugte Waffen-Narr stellt ihn vor einige harte Tatsachen, die Jerrys Leben zunehmend umkrempeln…

Anything ElseAnything ElseAnything Else

In der Regel weiß man, was man von Allen zu erwarten hat: Mal mehr, mal weniger gekonnt, aber stilistisch stets seinem Œuvre folgend, variiert er seine essayistischen Entwürfe des von Liebe, Beziehung und einhergehenden Bindungsängsten geplagten Großstadtvolks in verschiedensten Konstellationen. So ist es kaum überraschend, dass auch Anything Else keine großen Haken schlägt oder gar auf neuem Terrain wildert, sondern die Lebensentwürfe seiner Protagonisten vor New Yorker Kulisse gewohnt zynisch gegeneinander ausspielt: Harmonie etabliert sich bei Allen höchstens in kurzen Momenten ironischen Schlagabtauschs, während es unter der Oberfläche bereits mächtig brodelt. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der neurotische David Dobel, den Allen mit gewohnter Souveränität und autobiografischer Finesse selbst mimt. In seinen teils pathologischen, oft zynischen und manchmal nihilistischen Ansichten spiegeln sich die Schicksale der restlichen Figuren, die der dreifache Oscar-Gewinner kammerspielartig in verschiedenen Kontexten aufeinanderprallen lässt. So ist im Verhältnis Dobels zum schüchternen Jerry Falk die Ambivalenz seiner Unfähigkeit alleine zu sein ebenso angelegt, wie die furiose Unberechenbarkeit und Sexualität Amandas, die dann auch für Jerry zunehmend zur Zerreißprobe wird. Konsequenterweise bricht Allan seine Vaterfigur damit, dass die Dinge auch für Dobel gerade dann aus dem Ruder laufen, als Jerry endlich bereit ist sämtliche Bande zu seinem bisherigen Leben abzubrechen – den Fels in der Brandung sucht man vergeblich.

Wie von Allen nicht anders gewohnt, wartet auch Anything Else mit pointierten Dialogen im Minutentakt auf. Überhaupt scheint es, als hätte Allen selten so konsequent und scharfsinnig typisierend mit modernen und postmodernen Beziehungs- und Lebensentwürfen abgerechnet, die notwendige Portion Selbstironie nicht vergessend. Besonders eindringlich nimmt der Regisseur, Drehbuchautor, Kolumnist und Jazz-Musiker den eigenen intellektuellen Gestus in einer der bemerkenswertesten Szenen des Films aufs Korn, in der Dobel und Falk gerade dabei sind, mit Dobels feuerrotem Porsche 356 C im vorbildlichen Rückwärtsgang eine Parklücke zu erschließen, als diese von zwei muskelbepackten Vorzeigegangstern okkupiert wird. Es folgt ein kurzer Dialog, nach dem die beiden geschlagen von dannen ziehen und Falk resümiert: „Those guys have the muscles and you and I are blessed with wit. Later on, in the quiet and safety of some delicatessen you and I can write a biting satires and expose all their foibles.” Der bis dahin unheilvoll schweigende Dobel wendet daraufhin den Porsche, fährt zum Schauplatz zurück und demoliert unter den entsetzten Blicken seines Begleiters den Wagen der beiden Proleten.

Ankreiden könnte man Allen durchaus den fehlenden Mut zur Innovation innerhalb des eigenen Schaffens. Wer Allen kennt, dürfte also wissen, was er zu erwarten hat und wer darüber hinaus von seinen geschliffenen Dialogen nicht genug bekommen kann, bekommt mit Anything Else die Vollbedienung. An den Kassen war der Film trotz breit angelegter Kampagne ein Flop. Dieser kommerzielle Misserfolg und der wenig prominente Platz in der Filmografie des Großstadtneurotikers sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Film ein wenig beachtetes Kleinod geworden ist. Jason Biggs ist seine Rolle wie auf den Leib geschneidert, was nach seinen charmanten aber ebenso trivialen Auftritten in amerikanischen Highschool-Komödien nicht nur als Kompliment an seine Adresse gelesen werden sollte, sondern auch Allens Talent zur Schauspielerführung eindrucksvoll unter Beweis stellt. Die hübsche Ricci sorgt nebenbei reichlich für visuelle Höhepunkte und braucht sich hinter Allens aktueller Muse Scarlett Johansson vor allem in Punkto Sinnlichkeit nicht zu verstecken; dass die vornehmlich in Independent-Produktionen auftretende Ricci ihr schauspielerisches Handwerk beherrscht, braucht nicht gesondert erwähnt zu werden.

Fazit: Auch abseits einer verkopften Lesart, die Allens Werke nun einmal zu einem gewissen Grade aufzwingen, ist Anything Else eine bissige, humorvolle und durchaus rasante Komödie, die einen unterhaltsamen Abend vor dem Fernsehschirm bescheren sollte. Wer jedoch die psychischen Abgründe eines Match Point erwartet, sollte sich dann aber doch eher an Crimes and Misdemeanors und Konsorten halten, auch wenn Allens Beziehungsautopsie unter ihrer leichtfüßigen Oberfläche natürlich keinesfalls weniger defätistisch und entlarvend ist.

Eine Rezension von Florian Schulz
(07. November 2009)
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Daten zum Film
Anything Else USA 2003
(Anything Else)
Regie Woody Allen Drehbuch Woody Allen
Produktion Letti Aronson Kamera Darius Khondji
Darsteller Jason Biggs, Christina Ricci, Woody Allen, Stockard Channing
Länge 108 Minuten FSK ohne Altersbeschränkung
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