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Das Haus der Vergessenen

Das Haus der Vergessenen

Ein Film von Wes Craven

Trug und der äußere Schein unserer Gesellschaft hinter dem es wegen Konflikten und Missständen nur so brodelt, das waren schon immer Wes Cravens Lieblingsthemen. Man erinnere sich nur an die Familienkonflikte in „The Hills Have Eyes“ oder an die bürgerliche Fassade des Vorstadtlebens, hinter der sich eine verrottende Gesellschaft versteckt, in „Nightmare – mörderische Träume“.

Auch „Das Haus der Vergessenen“ ist ein Film, der weit über bloßen Horror und Splatter hinausgeht und auf einer intellektuelleren Ebene äußerst interessant ist.
Denn es ist kein Zufall, dass ein 13-Jähriger Schwarzer mit dem Spitznamen ‚Fool’, der mit seiner krebskranken Mutter und seiner älteren Schwester Ruby samt deren ledigen Kindern in einem segregierten Großstadtghetto sein Dasein fristen muss, die tragende Rolle der Erzählung einnimmt.
Da die Familie ohne Geldreserven dasteht beschließt Fool mit zwei erwachsenen Gaunern in dem Haus der reichen und irren Vermieter, denen das gesamte Ghetto gehört, einzubrechen da dort ein Schatz versteckt sein soll. Er tut dies allerdings nicht aus Eigennutz, sondern nur um seiner Mutter, die sich eine lebensnotwendige Operation nicht leisten kann, das Leben zu retten und die Familie vor der Zwangsräumung, die kurz bevorsteht weil die letzten Raten nicht bezahlt werden konnten, zu bewahren.

Es ist auch nicht dem Zufall überlassen, dass das vollkommen durchgeknallte und sadistische
Geschwisterpaar (ihre Namen erfahren wir nie, aber sie sprechen sich wie ein altes Ehepaar mit „Mommy“ und „Daddy“ an, woraus sich gewisse Schlussfolgerungen bezüglich Inzest und psychischer Degenerierung ziehen lassen), das sich in seinem hermetisch abgeriegelten Haus verschanzt, dort Menschen wie Vieh unter der Treppe zusammenpfercht und im wahrsten Sinne des Wortes seine Leichen im Keller verbirgt, weiß ist und in Aussehen und Auftreten sehr biedere, puritanische und republikanische Merkmale aufweist.
Das Haus der VergessenenDas Haus der VergessenenDas Haus der Vergessenen
Mag diese Sozialkritik auch manches Mal etwas zu plump scheinen so ist Cravens Film doch eine hervorragende Parabel auf die Gesellschaft: die wohlhabenden Weißen leben in ihren vornehmen Wohngegenden und bereichern sich auf Kosten der Armen und Farbigen, die von der Gesellschaft ausgeschlossen bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht werden. Die Reichen indes sitzen zwar dekadent auf ihren Schätzen (vgl. die Schatzkammer der beiden Psychopathen), können jedoch ihren Wohlstand nicht unbeschwert genießen, sondern schließen sich in ihren Festen ein und leben in permanenter Angst vor denen, die sie unterdrücken und ausbeuten.
Das Psycho-Duo wird zwar sehr überzeichnet, ihr Rassismus und ihre kapitalistische Einstellung lassen sich aber ohne weiteres auf einen großen Teil der amerikanischen und europäischen Gesellschaft übertragen, die einerseits keine Skrupel hat alle Vorteile der Globalisierung und Früchte der Ausbeutung der Dritten Welt zu genießen, andererseits aber Farbige als „Nigger“ beschimpft, sie als niederere Menschen ansieht und ihnen die wüstesten Vorurteile unterstellt.

Aber auch andere interessante Aspekte lassen sich noch herausfiltern. Die scheinheilig zur Schau gestellte Fassade der „braven Bürger“ wird wohl am besten in jener Szene persifliert, in der Brüderchen und Schwesterchen von der Polizei, die mit einem Durchsuchungsbefehl das Haus auf den Kopf stellen will, Besuch bekommen. Um die wahren Umstände zu verschleiern legen die Psychos romantische Musik auf, servieren den Polizisten Kaffee und Keckse, stellen ein paar Blumenvasen auf und verstecken Waffen und andere Mordinstrumente schnell hinter einer Geheimtüre.
Die Dienst habenden Beamten lassen sich nur allzu schnell täuschen. Schließlich ist hier doch alles in bester Ordnung und diese zwei braven und treuen weißen Staatsbürger, die von den bösen schwarzen Slumeinwohner fälschlicherweise ‚angeschwärzt’ wurden, könnten doch keiner Fliege etwas zuleide tun.

Wenn der männliche Psychopath voller Mordlust mit seiner Waffe Fool nachjagt, dann sei an dieser Stelle gesagt, dass es in so manchem amerikanischen Bundesstaat vollkommen legal ist auf einen Eindringling zu schießen.
Bei den zombiehaften Kreaturen unter der Treppe handelt es sich um Menschen, die einst als Kinder von den beiden Geschwistern entführt wurden. Da sie sich ihren Stiefeltern nicht fügen und sich frei entfalten wollten wurden sie von Bruder und Schwester zurechtgestutzt - indem ihnen z.B. die freche Zunge abgeschnitten wurde - und in den Keller gesperrt.
Mit dieser bitterbösen Darstellung kritisiert Craven böse aber gekonnt unseren Umgang mit Kindern und Jugendlichen, und indem er zwei Kindern tragende und sehr starke Rollen zuteilt weist er darauf hin, dass wir Heranwachsende ernster nehmen und ihnen mehr zutrauen sollten.
Ein weiteres interessantes Detail ist der Fernseher, in welchen die „Zombies“ im Keller glotzen. Dieser zeigt Ausschnitte einer Nachrichtensendung über den ersten Irakkrieg (der Film lief 1991 in den Kinos an) mit einem Bombardement auf Bagdad.
Das Haus der VergessenenDas Haus der VergessenenDas Haus der Vergessenen
Filmisch und dramaturgisch liegt „Das Haus der Vergessenen“ weit über dem Durchschnitt. Wes Craven, der selbst das Drehbuch schrieb, übernimmt dabei Elemente aus Folklore und Märchen wie die bösen Stiefeltern, das Hexenhaus, die gefangene Prinzessin, der Schatz im Keller, die Untoten etc.
Die Goreeffekte sind übrigens von K.N.B. und können, obwohl sie sich bis auf die Kannibalismusszenen nur selten in den Vordergrund drängen – schließlich geht es dem Regisseur mehr um eine satirische Darstellung der Charaktere und die gesellschaftskritische Message - sich auch heute noch sehen lassen.

Nur schade, dass „Das Haus der Vergessenen“ kaum an Bekanntheitsgrad genießt. Das zeigt wieder einmal, dass Werke, die mutig frische Ideen und viel Anspruch ohne Mainstream einzubringen suchen, oft keine Erfolge und von den Massen gemieden werden. Trotzdem handelt es sich hierbei um einen der besten Film Wes Cravens, den vielseitige Filmfreunde (auch diejenigen, welche Horror normalerweise nicht mögen) gesehen haben sollten.

Eine Rezension von Florian Friedrich
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Daten zum Film
Das Haus der Vergessenen USA 1991
(The People Under the Stairs)
Regie Wes Craven Drehbuch Wes Craven
Produktion Stuart M. Besser, Marianne Maddalena
Darsteller Brandon Quintin Adams, Everett McGill, Wendy Robie, A. J. Langer, Bill Cobbs, Kelly Jo Minter
Länge 102 min FSK 18
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