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Krankenschwestern-Report

Krankenschwestern-Report

Ein Film von Walter Boos

Für die Reportfilme der 70er-Jahre musste schon so manches Sujet her halten, doch selten wurde ein derartig griffiges und publikumsträchtiges Setting ausgewählt wie in KRANKENSCHWESTERN-REPORT von Walter Boos, der den Film im gleichen Jahr abdrehte wie den dritten Teil der Schulmädchen-Reporte. Bei deren erstem Vertreter war Boos bereits als Cutter (eine Position, die er auch bei der legendären Faust-Version mit Gustaf Gründgens einnahm) an Bord und entwickelte schnell das Gespür für eigene Regiearbeiten im Metier des Erotikfilms. Bereits die von schmissig-schwungvoller Musik unterlegte Anfangsszene legt die Absichten des Films schamlos offen, wenn zunächst nur das eingegipste Bein eines Mannes gezeigt und im nächsten Moment die komplette Szenerie enthüllt wird. Eine Krankenschwester mit entblößtem Busen kümmert sich ungewöhnlich liebevoll um ihren Patienten, den beim Liebesakt das verletzte Bein kaum zu stören scheint.

Und schon sind wir mittendrin im sündigen Treiben, das den Alltag im Münchener St. Martin Krankenhaus, stellvertretend für die gesamte deutsche Gesundheitsindustrie. Einen solch ernsten Anlass zu frivoler Komik zu missbrauchen und mit einem pseudomoralischen Anstrich zu versehen, ist keine ungewöhnliche Strategie im Genre. So werden zahlreiche Missstände angeprangert, von den niedrigen Löhnen über die strapaziösen Arbeitszeiten bis hin zu den Einschränkungen im Privatleben, die der Job im Hospital für die Schwestern mit
sich bringt. Unter denen befindet sich auch die reizende Ingrid Steeger und als Oberschwester gibt sich sogar die großartige Volks- und Theater-Schauspielerin Rosl Mayr die Ehre, die in ihrer gewohnt grantigen Art auch selbstironisch auf die eigene Gesangsstimme anspielt. Insgesamt ist der Cast zu gleichen Teilen bunt durchmischt mit professionellen Darstellern wie Claus Tinney oder dem Münchener Willy Schultes (der unter Insidern als einer der wichtigsten volksnahen Schauspieler Bayerns gilt) und vielen Laien. Der Einsatz frischer Gesichter ohne vorherige Erfahrung soll den Mockumentary-Stil unterstützen, was aber auch häufig zu hölzernen Darbietungen führt.

Auch wenn sich die Handlung wie so oft in kurze Episoden aufspaltet, inszeniert Walter Boos nicht lieblos, verzahnt die einzelnen Storys ineinander und lässt einige Figuren wiederholt auftauchen. Den erotischen Sequenzen fehlt es vielfach an Sinnlichkeit und Ruhe, viel zu hektisch wird das Geschehen meist eingefangen. Überhaupt funktioniert dieser Report ebenso wenig als Erotikfilm wie als seriöse Dokumentation sondern ist nicht mehr als eine lockere Komödie mit nackten Frauen. Dafür wartet der Film aber mit erfrischendem Humbug auf, dem ein solider Unterhaltungswert kaum abgesprochen werden kann. Dieser kaum exakt zu definierende Charme wird nicht zuletzt erzeugt durch die Nachsynchronisation, die aus Schnelligkeits- und Kostengründen eingesetzt wurde und auch die miesen Leistungen der Laiendarsteller abfedern sollte. Von seinen Genre-Verwandten grenzt sich der Film auch durch die einheitlichen Örtlichkeiten und die konsequente Orientierung an einem Thema ab und bleibt daher übersichtlich und gewissermaßen strukturiert.

Es mag heute kaum noch vorstellbar sein, aber zur Zeit seiner Veröffentlichung konnte ein Film wie KRANKENSCHWESTERN-REPORT noch mittelschwere Skandale verursachen und sogar aktivistische Gegner auf die Straße schicken. So geriet er nicht nur aufgrund der durchweg negativen Darstellung der Ärzte (die hier allesamt als lüsterne geile Böcke gezeigt werden, die ihre Machtposition gegenüber den Schwestern nicht selten ausnutzen) ins Kreuzfeuer der Kritik. Krankenschwestern und Pflegepersonal selbst sahen sich diskriminiert in der vereinfachten Weltsicht dieses Reportfilms, der im Endeffekt keine andere Funktion erfüllt als ein zünftiger Porno: Er bedient eine Phantasie und nutzt dafür bewusst eine klischeebehaftete Figurenzeichnung. Selbstverständlich förderten die Proteste den Zulauf beträchtlich und entwickelten sich schnell zu einer kostenlosen Werbung. Details wie etwa die rassistische Zeichnung eines türkischen Arztes, der sich wie der Hahn im Korb aufführt und sämtliche südländische Vorurteile bekräftigt, wurden damals kaum hinterfragt oder kritisiert.

Immer wieder bedient sich der Film klassischer Reportage-Techniken und flechtet durchgängig gestellte Interviews ein, in denen zum Beispiel die schwierige Vereinbarung zwischen Klinik-Arbeit und familiärer Verpflichtungen thematisiert wird. Stets natürlich als Aufhänger für voyeuristische Schlüpfrigkeiten. Wenn der emsig fragende Reporter sich an Passanten wendet um spontane Äußerungen einzufangen, gibt sich der Film endgültig der Lächerlichkeit preis. Da sich Walter Boos aber dessen bewusst scheint, ist KRANKENSCHWESTERN-REPORT mit dem nötigen ironischen Understatement in Szene gesetzt, die schon fast satirisches Potential entfaltet. Betrachtet man im direkten Vergleich die dröge-trockenen Aufklärungsfilme eines Oswalt Kolle, punktet vorliegender Streifen eben durch diese witzige Distanz, die jeden noch so beinharten Gegner die Waffen strecken lässt.

Eine Rezension von Marco Siedelmann
(09. November 2009)
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Daten zum Film
Krankenschwestern-Report Deutschland 1972
(Krankenschwestern-Report)
Regie Walter Boos Drehbuch Werner P. Zibaso
Produktion Wolf C. Hartwig Kamera Klaus Werner
Darsteller Ingrid Steeger, Claus Tinney, Elisabeth Volkmann, Konstantin Wecker, Rosl Mayr, Willy Schultes
Länge 78 Minuten FSK ab 18
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