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von Avi Nesher




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Der Vernichter

Der Vernichter

Ein Film von Umberto Lenzi

Es ist ein neuer Sheriff in der Stadt: Rambo. Der ist zwar kein Sheriff, sondern ein kleiner Gauner, der nach Jahren nach Mailand zurückkehrt; in eine Stadt, überschwemmt vom Verbrechen, mit machtloser Polizei und privaten, bewaffneten Sicherheitsdiensten, die das Gesetz in die eigene Hand nehmen (Blackwater anyone?). Sein Freund Pino Scalia, Beschäftigter bei einem dieser Sicherheitsunternehmen möchte ihn anwerben, doch Rambo lehnt ab: weder macht er sich etwas aus Geld, noch aus Ruhm. Erst als der Sohn der reichen Familie Marsili entführt wird und Pino infolge der Ermittlung stirbt, mischt sich Rambo ein. Die Syndikate der beiden Gangster Paterno und Conti haben sich mit dem Falschen angelegt!

Verehrter Leser, du siehst schon: wieder jede Menge los, im gewalttätigen Mailand des allseits berüchtigten Master-of-Disaster Umberto Lenzi. Und wer könnte den hard-boiled Gauner besser verkörpern als der verehrte Tomas Milian? Eben, niemand! Unterstützt von einem absolut beeindruckenden all-star Cast des italienischen Genrekinos schießt, fährt und prügelt sich Milian hier durch eine waschechte Poliziesco-Adaption des berühmten Romans „Rote Ernte“ von Dashiel Hammett, der natürlich Vorlage oder zumindest Inspiration für zahlreiche Filme war: Yojimbo, Für eine Handvoll Dollar und Last Man Standing, um nur ein paar zu nennen. Ergo metzelt sich Milian aka Rambo (der heißt in dem F
ilm tatsächlich so, nicht nur in der deutschen Synchronisation!) weniger zielstrebig zu dem entführten Jungen, vielmehr versucht er die beiden verfeindeten Syndikate des alternden Paterno und des aufstrebenden Conti gegeneinander auszuspielen. Der Erfolg ist dabei nicht unbedingt durchschlagend, die Wirkung von Rambos Explosivgeschossen dafür umso mehr.

Dabei bewegt sich Lenzi selbstverständlich erneut, wenn nicht am rechten, dann aber doch sehr am reaktionären Rand des politischen Spektrums. Die Hauptperson ist nicht einmal ein kleiner Straßenpolizist, der das Gesetz in die eigene Hand nimmt. Nein, die Polizei hat nur in einer einzigen Szene (wenn ich mich richtig erinnere) eine Statistenrolle. Der potentiell interessante Ansatz der privaten Sicherheitsfirmen wird leider schnell fallen gelassen, um letztlich Milian auf seinen Selbstjustiz- und Rachefeldzug zu schicken. Dabei geht er nicht nur über Leichen, sondern drückt auch wieder Lenzis Philosophie aus: Verbrecher haben keine Rechte und müssen um ihr Leben fürchten. Ungemein sadistisch schlägt Milian zurück nachdem sein Freund Pino das Leben aushauchen musste. Mithilfe des durchschaubaren Plot-Points der Rückkehr nach Mailand braucht sich Lenzi nicht mit langwierigen Ermittlungen aufhalten, sondern kann gleich voll zur Sache gehen, wenn Milian sich in wenigen Minuten bis zu Duvall durchfragt, der Pino auf dem Gewissen hat. Und um auf Lenzis Justizverständnis zurückzukommen: Duvall wird nicht nur von Milian gefoltert, um das Versteck des entführten Buben herauszugeben, sondern danach auch noch eiskalt hingerichtet.
Der VernichterDer VernichterDer Vernichter
Dazu kommt das astreine Outfit von Milian mit schwarzer Lederjacke, roter Strickmütze und blauer Schlaghose. Mit seinem Motorrad heizt er durch Mailand und Umgebung, um letztlich in einem tollen Showdown einen Belagerungszustand mal umzudrehen. Hier gelingt Lenzi wieder eine spannende Schnittfolge, was Erinnerungen an Das Schlitzohr und der Bulle weckt. Milian passt einfach wie immer perfekt in diese Rolle, raucht wie ein Schlot, hat dank des Einflusses von Rainer Brandt immer einen flotten Spruch auf den Lippen und nimmt es im Nahkampf auch mal mit einer ganzen Reihe Kollegen von Pino auf. Gerade die schnoddrige deutsche Synchronisation sorgt zusammen mit dem ziemlich ernsten und recht harten Geschehen für eine ziemlich zynische Grundstimmung. Die Sprüche sind zu weiten Teilen wirklich Gold wert, das Highlight möchte ich dann auch an dieser Stelle zitieren:
„Ich will dir was sagen: Alles im Leben ist ein Loch. Man wird in einem Loch geboren, man isst durch ein Loch, man scheisst durch ein Loch und man endet in einem Loch.“

Das Tempo ist dabei enorm hoch, Längen schleichen sich kaum ein. Darüberhinaus ist DER VERNICHTER nicht zuletzt dadurch interessant, dass er ein Beleg für die These ist, der Poliziesco wäre eine Fortführung des Italo-Western, indem das Pferd gegen das Auto und der wilde Westen gegen italienische Städte eingetauscht wird. Nicht zuletzt durch die thematische Anknüpfung an Für eine Handvoll Dollar (Notiz an mich: Leone und Lenzi in einer Rezension zusammenbringen? Dinge, die man im Leben gemacht haben sollte.) bedient sich Lenzi bei Motiven des Westerns, was in einer Belagerung eines Landhauses durch Bösewichte dient, in dem sich Milian und das Entführungsopfer verschanzt haben. Der Revolver wird durch ein Gewehr ergänzt, und Rambos Alamo kann beginnen. Diesen Eindruck bestätigt natürlich schließlich auch die Tatsache, dass Rambo zu Beginn auf seinem Motorrad in die Stadt einfährt, nur um diese nach erledigter Arbeit und einem Haufen Leichen erneut zu verlassen. Einzig, dass er sich nicht viel aus Geld macht, scheint ein Widerspruch zu dem klassischen Western aus italienischer Produktion zu sein.

Freilich gibt es auch wieder die Lenzi-typische Gewalt gegen Frauen. Die darf diesesmal Evelyn Stewart aka Ida Galli erleiden, die man ja aus Gialli wie Der Schwanz des Skorpions und zahlreichen Western kennt. Allgemein ist die Besetzung für Genrefreunde wirklich phänomenal, die bekannten Gesichter geben sich wahrlich die Klinke in die Hand. Neben Stewart und Milian gibt uns Joseph Cotten als internationaler Star den alternden Paten. Dazu prügeln und schießen sich unter anderem - achtung, festhalten! - Luciano Catenacci (Die Viper), Giuseppe Castellano (Der Berserker), Guido Alberti (Camorra - Ein Bulle räumt auf), Femi Benussi (Der Mafiaboss), Silvano Tranquili (ebenfalls Camorra), Antonio Casale (Das Schlitzohr und der Bulle) sowie Luciano Pigozzi und etliche weitere Stars durch Lenzis Mailand. Unglaublich!
Dabei ist der Film aber trotz aller Gewalt gerade gegenüber Frauen einigermaßen zahm, wirkt also nicht vollends brutal wie andere Werke von Lenzi. Doch gerade Milian überzeugt wieder so unglaublich als eiskalter, leicht psychotischer Antiheld, der ja irgendwie doch das gute will.

„Du hast meinen Sohn getötet.“
Milian: „Ja, das hab ich.
- „Das habe ich immer befürchtet.“
Milian: „Glaub mir, ich habe es nicht gerne getan.“

Mit dieser überraschenden Schlusssequenz schließt ein weiteres Kapitel aus Lenzis düsterem Mailand. Mehr davon!

Eine Rezension von David Kugler
(12. Juli 2009)
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Daten zum Film
Der Vernichter Italien 1975
(Il giustiziere sfida la città)
Regie Umberto Lenzi Drehbuch Vincenzo Mannino
Produktion Dania Cinematografica, Medusa Produzione Kamera Federico Zanni
Darsteller Tomas Milian, Joseph Cotten, Luciano Catenacci, Guido Alberti, Femi Benussi, Silvano Tranquilli, Antonio Casale, Luciano Pigozzi, Giuseppe Castellano
Länge 89:25 FSK
Filmmusik Franco Micalizzi
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