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Gefährten

Gefährten

Ein Film von Steven Spielberg

Ein Regisseur, der in seiner mittlerweile 53-jährigen Karriere sowohl Kritiker als auch Kinogänger immer wieder begeistern und zahllose Filmpreise einstreichen konnte; ein mehrfach Oscar-prämierter Komponist hinter dem Dirigenten-Pult und ein ebenfalls Oscar-prämierter Kameramann, der für traumhaft schön eingefangene Bilder sorgt; zwei äußerst renommierte Drehbuchautoren, die eine Romanvorlage eines fast ebenso renommierten Jugendbuchautors für die große Leinwand adaptieren dürfen; und eine anrührende Geschichte, die von inniger Freundschaft in unruhigen, harten Zeiten berichtet – Das sind die Zutaten für Steven Spielbergs neuesten Kinostreich "GEFÄHRTEN" ("War Horse"), an dem fünf Jahre lang unter Zuhilfenahme eines geschätzten 66 Millionen Dollar-Budgets gewerkelt wurde und der aktuell auf sechs Academy Awards hoffen oder sich zumindest über die Nominierungen freuen darf. Eigentlich recht gute Voraussetzungen für ein weiteres Meisterwerk des Altmeisters, also, der bereits filmische Meilensteine wie "Der weiße Hai" oder "E.T. – Der Außerirdische" zu verantworten hatte. Aber auch eine Kriegsmedaille hat immer zwei Seiten.


Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges: Der britische Junge Albert (Newcomer Jeremy Irvine) kümmert sich liebevoll um einen Hengst namens Joey, den sein Vater (Peter Mullan) zuvor bei einer Auktion erstanden hat. Da die Bauern
familie es sowieso nicht allzu leicht hat, den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist das Pferd immer wieder Auslöser von Streitigkeiten, wenngleich der Junge niemals aufhört, an Joeys Talente zu glauben. Und zur allgemeinen Überraschung gelingt es Albert tatsächlich, den feurigen Hengst zu zähmen und zu trainieren. Doch die stärker werdende Verbundenheit zwischen Mensch und Tier erfährt durch den Ausbruch des Krieges einen nicht unerheblichen Dämpfer, als Joey an einen britischen Kavallerieoffizier (Tom Hiddleston) verkauft wird und als Kriegspferd an die Front muss. Was folgt, ist die von Freud und Leid getrübte Odyssee eines Vierbeiners, die auf ihrem Fortgang verschiedene Einzelschicksale streift und so einer wichtigen, weil allzu menschlichen Frage Ausdruck verleiht: Was zählt Freundschaft, wenn der Krieg bei der Wahl seiner Opfer nicht wählerisch ist?


„Der Krieg hat allen alles weggenommen.“ – Rund um diese Aussage zäumt Altmeister Spielberg seine sehr aufwendige Kinoversion der von Michael Morpurgo verfassten Jugendbuchvorlage als bildgewaltig inszeniertes und von Hofkomponist John Williams ("Jäger des Verlorenen Schatzes" [1981]) pompös orchestriertes Epos auf. Jede Facette, jede Sekunde des Zweieinhalb-Stunden-Werkes ist bis ins Kleinste durchkomponiert, um auch ja alle Zuschauer auf emotionaler Ebene für sich zu gewinnen. Scheinbar soll nichts dem Zufall überlassen werden, wenn sich ein solch dramatischer Stoff, wie er aus dem Jugendbuch destilliert wurde, anschickt, den Begriff der Kinomagie gänzlich neu zu definieren. Ein großes Vorhaben, das sich zumindest in den ersten Minuten noch auf dem richtigen Pfad zu befinden scheint. Doch schon bald offenbart "GEFÄHRTEN", was leider auch seine fortdauernd schönen Bilder nicht verbergen können, sondern im Gegenteil nur noch deutlicher hervortreten lassen: Wirklich echte Gefühle sind, man höre und staune, Mangelware in diesem Tränendrüsen-Epos, sieht man von einigen wenigen Ausnahmen ab. Dabei bemüht sich Spielberg nach Leibeskräften, die vorrangig thematisierte Freundschaft zwischen Mensch und Tier und ihre Bedeutung in krisengeschüttelten Zeiten eindringlich einzufangen. Das Problem hierbei: Er meint es zu gut. Denn eigentlich sollte doch die Geschichte selbst Katalysator für Publikumsemotionen sein; stattdessen verlässt sich der Meisterregisseur aber fast ausschließlich auf seine kunstvoll gestalteten Bilder, was durchaus seine Momente hat, abseits davon jedoch schnell zum reinen Selbstzweck gerät.


So manifestiert sich nicht nur das Bild eines prächtigen Pferdes, das durch meterhohen Pathos trabt und quasi im Alleingang die verhärteten Fronten klärt, vor den Augen des Zuschauers. Es sind genau genommen viele solcher Momente, die mit aller Gewalt Emotionen wecken und Herzen berühren wollen, auf 146 Minuten ausgewalzt aber nur noch ein müdes Gähnen evozieren. Da bietet auch ein Schützengraben keine Deckung mehr. Zugegeben, die eine oder andere Szene intensiviert das (Mit-)Erleben tatsächlich auf eine Weise, die dem Zuschauer fast körperliches Unbehagen bereitet, etwa wenn der tierische Hauptdarsteller in vollem Galopp durch das mit Stacheldraht gespickte Niemandsland jagt und dabei mehr als unsanft gestoppt wird. Doch letztlich ist es erstaunlich, wie spärlich hier die wirklichen Gänsehaut-Momente gesät sind, wo die Geschichte und das ihr zugrunde liegende Thema – welches umso trauriger, weil so real ist – eigentlich viel mehr vermögen. Doch wenn dem Zuschauer die Emotionen stetig mit dem viel zitierten Vorschlaghammer eingebläut werden, statt diesen die Gefühlsebenen des Films selbst ergründen zu lassen, reagiert man irgendwann eben lieber mit Gleichgültigkeit denn mit erzwungenem Mitleid. Schade.


Schade auch insoweit, als dass ein Großteil der Authentizität allein durch die quasi-Synchronisation im Original auf der Strecke bleibt. Wenn die in Deutschland und Frankreich spielenden Passagen durchweg in der Muttersprache des Films erzählt werden und die eigens gecasteten einheimischen Schauspieler mit mal kaum hörbarem, oft aber überdeutlichem Akzent ihren englischen Text vortragen, wirkt dies gestellt und verkommt zu einer teils schwer erträglichen Farce. Sicherlich wäre es in einem zeitlich derartig ausladenden Epos ein Wagnis, die Geschichte über große Strecken mit Untertiteln begleiten zu müssen, doch gerade durch die vereinzelt im Hintergrund wahrnehmbaren deutschen und französischen Phrasen wirkt die für den englischsprachigen Markt erzwungene Übersetzung umso seltsamer. Eine klare Entscheidung für die eine oder andere Variante der Umsetzung wäre hier wünschenswert gewesen, doch so verliert die Inszenierung einen beträchtlichen Teil ihrer Glaubwürdigkeit, die sie mit Mimen wie David Kross ("Der Vorleser") oder Niels Arestrup ("Small World") eigentlich erreichen wollte.


Fazit: "GEFÄHRTEN" bietet viel Schönes für's Auge, bleibt demgegenüber aber ebenso blass wie die meisten seiner menschlichen Protagonisten. Die geradezu nach Emotionen schreiende Inszenierung, die sich in diesem Bestreben jedoch unschön selbst im Keim erstickt, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies zwar beileibe kein schlechter Film an sich, aber insgesamt betrachtet ein doch eher schwacher Spielberg ist. Der Mann kann es einfach besser. Und diese Tatsache wiegt im gegebenen Fall leider mehr als nur schwer.



Eine Rezension von Stefan Rackow und Nicole Goldstein
(15. Februar 2012)
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Daten zum Film
Gefährten USA 2011
(War Horse)
Regie Steven Spielberg Drehbuch Lee Hall, Richard Curtis
Produktion DreamWorks Pictures / Reliance Entertainment / Amblin Entertainment / Kennedy/Marshall Company / Touchstone Pictures Kamera Janusz Kaminski
Darsteller Jeremy Irvine, Peter Mullan, Emily Watson, Matt Milne, Tom Hiddleston, Benedict Cumberbatch, David Thewlis, Niels Arestrup, Celine Buckens, David Kross, Leonard Carow, Liam Cunningham, Toby Kebbell, Hinnerk Schönemann, Eddie Marsan, Rainer Bock, u.a.
Länge 146 Minuten FSK ab 12 Jahren
http://www.warhorsemovie.com/
Filmmusik John Williams
Nominiert für 6 Oscars 2012: Best Achievement in Art Direction, Best Achievement in Cinematography, Best Achievement in Music Written for Motion Pictures (Original Score), Best Achievement in Sound Editing, Best Achievement in Sound Mixing, Best Motion Picture of the Year
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