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Osama

Osama

Ein Film von Siddiq Barmak

Als die Taliban, eine Gruppe radikal orthodoxer islamisch-sunnitischer Fundamentalisten im Jahr 1995 zur dominantesten Fraktion in Afghanistan wurde, war der Grundstein gelegt für die Einnahme Kabuls im darauffolgenden Jahr und ihre voranschreitende Macht, die sich 1997 bis auf drei Viertel des Landes ausbreitete.

In diese Zeit lässt sich der Film „Osama“ von Regisseur Siddiq Barmak einordnen. Im Fokus steht die gesellschaftliche Situation der Frauen in Afghanistan nach 1995, die von nun an weder einen Beruf ausüben noch sich unverschleiert und ohne einen männlichen Begleiter auf die Straße trauen durften. Die Widersprüchlichkeit und Unmenschlichkeit dieser „Regelungen“, die Ausdruck radikaler Taliban-Ideologie sind, wird zu Beginn des Films demonstriert und ist zugleich der Hauptkonflikt, um den sich die Handlung dreht.
„Hätte Gott doch nur keine Frauen erschaffen“, wünscht sich eine verwitwete Krankenschwester, die aufgrund des Berufsverbots keine Möglichkeit mehr hat, Geld für sich, ihre Schwiegermutter und ihre zwölfjährige Tochter zu verdienen. Da sie nicht nur ihren Mann, sondern alle anderen männlichen Verwandten verloren hat, sieht sie keinen anderen Ausweg, als ihre Tochter als Jungen zu verkleiden, der den Namen „Osama“ erhält und von nun an für einen Lohn in Form von etwas Brot und Milch arbeiten geht. Als „Osama“ an Schulungen für Taliban-Jungen teilnehmen muss, eskaliert die Situation und es ist nur noch
eine Frage der Zeit, bis man hinter ihr Geheimnis kommt…

Der Film beginnt mit einer sehr unheimlichen, düsteren und befremdlichen Atmosphäre, die sich durch die gesamte Handlung zieht. Allein der Anblick von für ihr Recht auf Arbeit demonstrierenden Frauen, von denen jede mit einer Burqa – ein großes, typischerweise blaues Stofftuch, das den gesamten Körper verhüllt und nur auf Augenhöhe ein schmales Sichtfenster aus dünnem Stoff oder Rosshaar freilässt – bekleidet ist, ist für den/die westliche/n ZuschauerIn packend und angsteinflößend.
Noch gesteigert wird dies durch den Anblick eines von Ärzten und Krankenschwestern verlassenen Hospitals, in dem Kranke sich selbst überlassen werden und wo ein verkrüppelter Junge langsam durch die Flure schlurft. Die Kamera hält nahezu unendlich lange auf diesen Jungen drauf, sodass man das Elend, welches man zu Gesicht bekommt, nach nur 10 Minuten Spielzeit kaum noch ertragen kann.

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„Osama“ wirkt unglaublich authentisch und dafür umso mehr erschreckend. Die Hauptdarsteller stechen besonders hervor, da sie allesamt Laienschauspieler sind und trotzdem, oder gerade deswegen, echt und lebensnah wirken. Vor allem Marina Golbahari, die das Mädchen „Osama“ spielt, beeindruckt mit einer bemerkenswerten Schauspielleistung. Kaum ein anderes Filmkind hat man je so anhaltend glaubwürdig Verzweiflung und Todesangst spielen sehen wie sie.

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Der Film ist kurz, aber nicht schmerzlos, und wirkt manchmal eher wie eine Dokumentation über die schreckliche Wirklichkeit als wie ein Spielfilm mit fiktiven Figuren. Die Frage ist nun, wie man einen solchen Film überhaupt bewerten kann. Wie kann man einen Film „gut“ finden, der so erschreckende Bilder der Wirklichkeit offenbart und kaum mehr als Hoffnungslosigkeit demonstriert? Und wie kann man ihn „schlecht“ finden, obwohl er doch unbestreitbar authentisch wirkt und durch intensives Spiel beeindruckt?

Was kann man als Minuspunkte erkennen? Dass „Osama“ zufällig ihre Tage bekommt, als sie zur Strafe, weil sie auf einen Baum geklettert ist, in einen Brunnen gehängt wird und somit vor ihren Lehrern ihre wahre Identität offenbart? Dem Zuschauer ist aber von Anfang an klar, dass das Mädchen in „Osama“ auf kurz oder lang durch irgendeinen Zufall entdeckt werden wird.
Wie lässt es sich beurteilen, dass der Film keine Lösung aufzeigt, sondern einfach nur eine Geschichte demonstriert, wie es sie in Wahrheit vielleicht hunderte Male gegeben hat? Was soll man davon halten, dass er mit dem Satz abschließt: „Es gibt keine Hoffnung mehr; nur der Tod bleibt noch“? Macht es sich der Film da nicht ein bisschen einfach, wenn er keinerlei perfiden Rettungsplan entwirft? Aber wie hätte das gewirkt? Wäre das dann nicht wieder viel zu kitschig und unrealistisch erschienen?

Eine Beurteilung von „Osama“ ist somit ziemlich schwer zu fällen. Was zählen Kritikpunkte wie Spannung, Unterhaltung und Action hier noch? Die Gewichtung dieser Kriterien sei damit jedem selbst überlassen. In meinen Augen ist „Osama“ insofern als „gut“ zu bewerten, indem er einen dazulernen und über den Tellerrand seiner kleinen perfekten Welt schauen lässt, ohne mit dem Zeigefinger zu schwenken und Tu-Dies-Tu-Das-Predigten zu moralisieren.

Alles in allem ist „Osama“ ein Stück auf Filmband projizierte Wirklichkeit, die den Zuschauer kaum kalt lassen kann.

Eine Rezension von Anja Strilek
(16. August 2007)
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Daten zum Film
Osama Afghanistan, Japan, Irland 2003
(Osama)
Regie Siddiq Barmak Drehbuch Siddiq Barmak
Produktion Barmak Film, LeBrocquy Fraser Productions, NHK
Darsteller Marina Golbahari, Arif Herati, Zubaida Sahar, Khwaja Nader, Hamida Refah, Mohamad Nader Khadjeh
Länge 82 min FSK 12
http://www.osama-derfilm.de/
Filmmusik Mohammad Reza Darvishi
Originalsprache: Paschto, Dari
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