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Das Osterman Weekend

Das Osterman Weekend

Ein Film von Sam Peckinpah

(USA, 1983)



„… television programs are just the filler between the attempts to steal your money.”



Man ist sich heute nicht einig darüber, ob dieser Film nun ein würdiger Abschied für Sam Peckinpah war oder nicht. Der Meister der kunstvollen Gefechtskonzerte und Zeitlupentode, dem Vater des modernen Actionfilms, der ein Jahr später starb. Bloody Sam. Dem Mann, den man immer gern als Gewaltforscher des US-Kinos sah, denn seine stillen und melancholischen Werke wurden in schönster Regelmäßigkeit ignoriert. Der Mann, der The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz (1969), Straw Dogs (Wer Gewalt sät, 1971), Getaway (1972), Bring Me the Head of Alfredo Garcia (Bringt mir den Kopf von Alfredo Garcia, 1975) oder Convoy (1978) gemacht hat – unter anderem. Was aber nun schwach und was gut ist in der Welt des Films, in der Kunst überhaupt, ist ja immer eine Frage der Übereinstimmung. Damals waren die wenigsten begeistert.

Kritiker schon mal gar nicht. Roger Ebert soll konsterniert und leicht angeschifft im Kinosessel gesessen haben, seine Konklusion diktierte er schnörkellos in die Chicago Sun-Times: „Ich verstehe diesen Film nicht.“ Er war beileibe nicht der einzige. Auch Vincent Canby von den New York Times war enttäuscht. Er glaubte gar, dass sich Peckinpah einen Scherz auf Kosten des Publikums erlaube und einen unglaubwürdigen
Plot solange mit schummerigem Sex und orchestraler Gewalt zuschütte, bis niemand mehr Notiz von seiner Sinnlosigkeit nehme.

The Osterman Weekend (1983) hat in der Tat so einige Fehler, litt jedoch unter schwierigen Produktionsbedingungen. Geholfen hat sicherlich nicht, dass Peckinpah den Final Cut aus der Hand geben musste. Und das ist wirklich dramatisch, denn kaum jemandem ist auf diesem Wege schon derart vors Schienenbein getreten worden wie ihm. Man denke nur an Pat Garrett jagt Billy The Kid (1973), ein Film, der in der obigen Liste noch fehlt. Und den Peckinpah in der zeitgenössischen Kinofassung kaum wieder erkannte. Überdies war der Regisseur zur Zeit der Dreharbeiten körperlich schon so schwer angeschlagen, dass Hauptdarsteller Rutger Hauer bei einigen Szenen das Kommando übernehmen musste. Also alles in allem keine guten Bedingungen fürs Filmemachen.

Das Osterman WeekendDas Osterman WeekendDas Osterman Weekend
Peckinpah hatte sich nun für einen Roman des Bestseller-Autors Robert Ludlum entschieden. Obwohl der Mann in den Siebzigern zu den meistgelesensten Schriftstellern überhaupt zählte, gab es bis dahin nur eine Verfilmung. Merkwürdig wenn man bedenkt, dass seine Stoffe wunderbar in die Zeit der Paranoia-Thriller passten. Dass seine Geschichten vom Kampf des Einzelnen gegen übermächtige Organisationen und Geheimbünde doch hervorragend mit den amerikanischen Konzepten von Individualismus und Freiheitsdrang harmonieren müssten. Bei Stephen King dauerte es nicht lange bis sich die Studios um die Verwertungsrechte an seinen Romanen rissen. Und die waren für das Medium Film eindeutig ein viel schwererer Brocken.

Im Osterman Weekend lässt Peckinpah den Fernsehjournalisten John Tanner (Rutger Hauer), ein gefürchteter, investigativer Kritiker, schwere Kämpfe durchstehen – physische und psychische. Er wird von dem CIA-Agenten Lawrence Fassett (John Hurt) instruiert, dass seine alten Studienfreunde KGB-Spione seien. Dazu zählen der Fernsehproduzent Bernard Osterman (Craig T. Nelson) und der Schönheitschirurg Richard Tremayne (Dennis Hopper). Alle treffen sich einmal im Jahr samt Ehefrauen in Tanners Anwesen, um alte Zeiten aufleben zu lassen. Nur widerwillig lässt sich Tanner darauf ein, sein Haus verkabeln und mit Kameras voll stopfen zu lassen, um die vermeintlichen Verschwörer durch manipulative Psychospielchen auseinander zu bringen.

Was folgt, ist ein extrem ungemütliches Wochenende, das die Gemeinschaft auf die Probe stellt. Denn Fassett spielt ein doppeltes Spiel mit Tanner und seinen Freunden. Am Ende möchte sich dieser nur an seinem fiesen CIA-Chef Maxwell Danforth (Burt Lancester) für den Tod seiner Frau rächen, den er persönlich anordnete. Im großen Interview in Johns Sendung "Face to Face" soll er vor einem Millionenpublikum bloßgestellt werden.

Was gab es also zu monieren? Im Grunde liegt es auf der Hand. Schaut man sich das Konstrukt mal als Ganzes an, wird schnell klar, was hier Verstimmungen auslöste. Wir haben einen Agenten mit Racheplänen, und die sind ja durchaus nachvollziehbar. Und Peckinpah wäre vermutlich der letzte Regisseur dieser Welt gewesen, der etwas gegen Figuren mit Rachegelüsten gehabt hätte. Aber der Weg dahin ist doch derart umständlich, dass einem dazu nicht einmal amüsante Vergleiche einfallen. An den Haaren herbeigezogen, sagt man wohl dazu. Rache ist doch etwas, was am besten einfach und inbrünstig zelebriert wird. Kalte, minutiöse Planung ist durchaus plausibel, aber alles hat eine Grenze. Und bei dem Aufwand, den Fassett hier betreibt, fragt man sich doch, ob es ein klassisches Duell bei Sonnenaufgang nicht auch getan hätte.

Was mich selbst immer wieder irritiert ist, das The Osterman Weekend irgendwie zu den Filmen zählt, die man gerne sieht, obwohl man um ihre Schwachen weiß. Und sehen wir mal davon ab, dass Agenten- und Paranoiathriller niemals frei von Ungereimtheiten gewesen sind. Man merkt häufig beim Nacherzählen der Handlung, oder beim Versuch, einem interessierten Gesprächspartner das Ende zu erklären, wie viel man eigentlich verstanden hat. Oder auch: wie wenig. Das ist bei Sydney Pollacks The Three Days of the Condor (Die drei Tage des Condors, 1975) oder John Schlesingers Marathon Man (1976) auch der Fall.

Das Osterman WeekendDas Osterman WeekendDas Osterman Weekend
Aber abgesehen davon versteht Peckinpah sein Handwerk einfach viel zu gut. Eine Explosion packt er in eine gespenstische Zeitlupe. Die Actionsequenzen sind gediegen und zeigen noch einmal sein ganzes Können. Das Ensemble funktioniert hervorragend. Vor allem John Hurt trumpft auf. Er ist ein kleiner Big Brother, ein diabolischer Orwell-Kobold, der hinter den Monitoren der Überwachungskameras in seinem Ü-Wagen sitzt und Spaß an der Katastrophe hat. In der knalligsten Szene spricht er zu Rutger Hauer auf dem Fernsehmonitor in der Küche. Als die anderen hereinkommen, kann Hurt sich nicht mehr aus dem Geschehen ausklinken. Hauer gönnt sich das Vergnügen und schaltet ebenfalls nicht von alleine ab. Um nicht aufzufliegen, imitiert Hurt eine Wettervorhersage. Das schafft er gerade so, wenn auch nicht ohne Aussetzer. Manchmal bricht auch der Melancholiker in ihm aus. Meistens, wenn er die Bilder der Ermordung seiner Frau immer wieder ansehen muss. Dann ist er ein von Schmerz und Trauer Getriebener. Fast scheint es, als richte er im finalen Duell mit Rutger Hauer absichtlich die Waffe zu langsam hoch, um endlich aus der Welt scheiden zu können.

Der blonde Kleiderschrank wiederum ist und bleibt eine Nulllösung, ein Neutrum, das keinen Schaden anrichtet, aber auch keinen tanzenden Stern gebären kann. Aber man kann ihn in diesem Kontext sehr gut akzeptieren. Eine tolle Figur macht Helen Shaver als Tremaynes Ehefrau Virginia, die als Luxusluder und Koksnutte glänzt. Dennis Hoppers Präsenz dagegen ist komplett verschenkt. Selten hat man einen großen Schauspieler so nutz- und glanzlos im Geschehen rum stehen sehen. Sehr, sehr schade.

Man kann Peckinpah ansehen, dass er eine gute Portion Kulturkritik in diesem Streifen haben wollte. Die Bildschirme und Kameras, die als visueller Stimulus fast ständig präsent sind, scheinen dabei eher reinen Schauwert zu besitzen. Als Referenz auf Orwell und seine Kritik an jedweden Systemen, die Menschen ausbeuten und zerstören, bleibt das alles leider schwach und konturlos.

Den Gewaltdiskurs hat er natürlich auch wieder geschnitten. Vor allem, wenn Fassett in seiner Kommandozentrale vor den Bildschirmen sitzt. Der eine zeigt das gerade stattfindende Scharmützel auf dem Tanner-Anwesen, auf den anderen läuft Sport. Das ist Peckinpahs Antwort darauf, welchen Stellenwert medial vermittelte Gewalt mittlerweile hat. Sie ist Amüsement. Entertainment. Von anderen Unterhaltungsformen kaum zu unterscheiden.

Aber wenn sich Tanner zum Schluss ein letztes Mal an seine Zuschauer wendet und sie zum Abschalten auffordert, dann klingt das nach den ‚famous last words’. Von Bloody Sam, durch Rutger Hauer gesprochen. Wie man das macht, Abschalten? "Es wird mit der Hand gemacht, und dem, was von Ihrem freien Willen noch übrig ist." Diese letzte Szene, in der nur ein leerer Stuhl im Bild zurück bleibt, die bleibt eindringlich. Der irritierende Saxophon-Porno-Pop klingt dabei fast wie schriller Sarkasmus.

Ich bleibe dabei. Alle Schwächen vom Ostermann Weekend sind mir schnurz. Man kann und darf ihn trotzdem mögen, diesen letzten Film des großen Sam Peckinpah.

Eine Rezension von Gordon Gernand
(09. Februar 2008)
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Daten zum Film
Das Osterman Weekend USA 1983
(The Osterman Weekend)
Regie Sam Peckinpah Drehbuch Alan Sharp, Ian Masters (Script), Robert Ludlum (Romanvorlage)
Produktion Osterman Weekend Associates Kamera John Coquillon
Darsteller Rutger Hauer, John Hurt, Craig T. Nelson, Dennis Hopper, Meg Foster, Burt Lancaster, Helen Shaver
Länge 103 Min. FSK ab 16
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