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Die unbarmherzigen Schwestern

Die unbarmherzigen Schwestern

Ein Film von Peter Mullan

FrĂŒh um sechs stehen sie auf – jeden Morgen. Dann gibt es FrĂŒhstĂŒck und nebenbei liest eine von ihnen aus der Bibel vor. Danach die Arbeit – acht bis zehn Stunden ohne jeglichen Lohn. Abends ziehen sie ihre Nachthemden ĂŒber das Arbeitskleid und schĂ€len sich dann umstĂ€ndlich aus ihrer Tagesgarderobe. Das Licht wird gelöscht und sie schlafen, bis am nĂ€chstes Tag alles von vorn beginnt.

„I'd commit any sin, mortal or otherwise, to get the hell out of here!”

Um ehemaligen Prostituierten eine Zuflucht und ein Zuhause zu geben, wurden im 19. Jahrhundert Magdalenen-Heime in Irland errichtet, die nach der biblischen Figur Maria Magdalena, die als frĂŒhere Prostituierte ihre SĂŒnden vor Jesus bereute, benannt wurden. Als die Heime im 20. Jahrhundert von der katholischen Kirche ĂŒbernommen wurden, herrschte ein strenges, von Nonnen gefĂŒhrtes Regiment, dem sich „gefallene MĂ€dchen“ zu fĂŒgen hatten. Wer sich also als junge Frau des „Verbrechens“ schuldig machte, vergewaltigt zu werden, ein uneheliches Kind zur Welt zu bringen oder einfach nur hĂŒbsch und aufreizend zu sein, konnte in ein solchen Heim gegeben werden, damit das gesellschaftliche Ansehen der Familie gewahrt blieb. Durch harte Arbeit, Gebete und körperliche ZĂŒchtigung sollten die MĂ€dchen Buße tun und sich von ihren SĂŒnden rein waschen.

„Die unbarmherzigen Schwestern“ erzĂ€hlt die Geschichte von drei MĂ€dchen - Margarete, Bernadette und Ros
e -, die in den 1960er Jahren in ein Magdalenen-Heim geschickt werden und dort fortan wie Gefangene leben. Tag fĂŒr Tag mĂŒssen sie in dem hauseigenen WĂ€schereibetrieb arbeiten, dĂŒrfen sich kaum unterhalten und keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Sind sie einmal ungehalten und verstoßen gegen die Regeln des Heims, werden sie von den Nonnen verprĂŒgelt und kahl geschoren. Doch das Schlimmste ist, dass es fĂŒr die MĂ€dchen keine Hoffnung gibt, denn niemand weiß, ob und wann sie wieder in die Freiheit entlassen werden.

Die unbarmherzigen SchwesternDie unbarmherzigen SchwesternDie unbarmherzigen Schwestern
Der schottische Regisseur Peter Mullan war fasziniert von der absoluten Herrschaft, die die katholische Kirche ĂŒber die irische Gesellschaft hatte, und verarbeitet in seinem Film die erschreckende Erkenntnis, dass die Religion und die Reputation vielen Familien sogar wichtiger wurden als ihre eigenen Kinder. Somit wird in „Die unbarmherzigen Schwestern“ nicht nur die Seite der Opfer, sondern auch die ihrer Peiniger nĂ€her beleuchtet. Margarete wird aufgrund einer Vergewaltigung durch ihren eigenen Cousin ins Magdalenen-Heim geschickt. Es erscheint dem Zuschauer völlig unklar, warum der junge Mann seiner Cousine so etwas antut, und man kann nur vermuten, dass seine durch gesellschaftlichen ZwĂ€nge jahrelang unterdrĂŒckten sexuellen GefĂŒhle sich völlig unvermittelt in einem perversen, brutalen Akt entladen, da es keinen anderen Weg gab, diese auszuleben. Ein anderes MĂ€dchen wiederum flieht aus dem Heim und wird anschließend von ihrem Vater (gespielt von Regisseur Mullan selbst) in die katholische Einrichtung zurĂŒck geprĂŒgelt. Er macht ihr klar, dass sie fortan keine Eltern mehr hat und nie mehr nach Hause kommen darf. Nicht nur die MĂ€dchen, sondern auch ihre Peiniger sind Gefangene eines Systems, in dem Verbrechen im Namen des allmĂ€chtigen Herrn, des sogenannten, begangen werden mĂŒssen, um in die Gesellschaft zu passen und dort anerkannt zu werden.
Die Nonnen selbst sehen ihre Arbeit als gottgefĂ€llig und notwendig an. Beispielhaft hierfĂŒr ist die Szene, in der eine der Schwestern die MĂ€dchen nackt vor sich aufstellen lĂ€sst, um sich ĂŒber die GrĂ¶ĂŸe ihres Busens und ihre Schambehaarung lustig zu machen. Sie selbst sieht das als Spiel und versteht selbst dann nicht, als eines der MĂ€dchen völlig aufgelöst in TrĂ€nen ausbricht, wie menschenverachtend und schrecklich ihre Handlungen sind. Laut Regisseur Mullan ist genau das „die BanalitĂ€t des Bösen“.

Jede Geschichte der drei MĂ€dchen findet ihren emotionalen Höhepunkt, als Margarete, Bernadette und Rose versuchen, auf ihre Art in eine andere Welt zu flĂŒchten. Es ist bewegend, mitanzusehen, wie sie ihren Körper verkaufen, sich bei den Nonnen anbiedern oder greifbare Chancen einfach nicht wahrnehmen, und somit immer wieder scheitern. Bis kurz vor Ende des Films hat man als Zuschauer keine Ahnung, wie es fĂŒr die drei Protagonistinnen ausgehen wird und ist gespannt, ob es trotz der Ausweglosigkeit doch noch eine Möglichkeit fĂŒr die durch pure Ungerechtigkeit bestraften MĂ€dchen gibt, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen.

Die unbarmherzigen SchwesternDie unbarmherzigen SchwesternDie unbarmherzigen Schwestern
Der Film „Die unbarmherzigen Schwestern“ erzĂ€hlt schnörkellos von dem Überlebenskampf der Menschlichkeit, die selbst unter furchtbarsten Bedingungen bestehen bleibt und gibt einen realistischen Einblick in das Leben hinter den Mauern der Magdalenen-Heime, auch wenn es laut einer ehemaligen Insassin alles noch viel schlimmer war als eigentlich gezeigt wird. Kaum zu glauben also, dass SchĂ€tzungen zufolge ca. 30.000 Frauen in den Heimen gelebt haben, von denen das letzte erst 1996(!) geschlossen wurde. Weder ein großer Meilenstein in der Filmgeschichte, noch mittelmĂ€ĂŸig oder gar schlecht, ist das Drama in erster Linie interessant und erschreckend. Beinahe wie eine Dokumentation und ohne große Effekte und Spannungsspitzen verfolgt man als Zuschauer unglĂ€ubig eine Geschichte, die aufgrund ihrer Ehrlichkeit so fesselnd und undenkbar zugleich ist. Mullans Werk ist eine Aufforderung an die Gesellschaft, sich die Ungerechtigkeiten, die sie verĂŒbt werden, nicht nur anzusehen, sondern auch dafĂŒr zu sorgen, dass sie nie wieder geschehen.

Eine Rezension von Anja Strilek
(23. September 2008)
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Daten zum Film
Die unbarmherzigen Schwestern Großbritannien, Irland 2002
(The Magdalene Sisters)
Regie Peter Mullan Drehbuch Peter Mullan
Produktion Ed Guiney, Frances Higson, Andrea Occhipinti, Rod Stoneman, Paul Trijbits Kamera Nigel Willoughby
Darsteller Anne-Marie Duff, Nora-Jane Noone, Dorothy Duffy, Eileen Walsh, Mary Murray, Frances Healy
Länge 114 min FSK 12
Filmmusik Craig Armstrong
Kommentare zu dieser Kritik
Lia sagte am 29.09.2008 um 19:23 Uhr

ch habe den Film im Kino gesehen und fand ihn schlimm. Naja, Heuchelei der Kirche (siehe dieser furchtbare Priester) ist eigentlich nichts Neues aber die AtmospÀre des Filmes war sehr intensiv.
Das mit dem Geld war interessant. Ich glaube, dass ich in einer Rezension gelesen habe, dass kriminelle Machenschaften gelaufen sind, Schwarzgeld oder so. Aber ich weiß nicht wie groß die Sache war.

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