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Ein Leben für ein Leben

Ein Leben für ein Leben

Ein Film von Paul Schrader

Seinen Glauben hat Adam Stein (Jeff Goldblum) verloren. Auch sein inneres Gleichgewicht. Er ist gestrandet in der Negav-Wüste - einem gleichsam trostlosen wie friedlichen Ort. Seine Vergangenheit lässt ihn nicht los. Immer wieder landet er im von Dr. Nathan Gross (Sir Derek Jacobi) geleiteten Seizling Institut, einem psychiatrischen Zentrum für Holocaust-Überlebende. Dabei hatte Adam Stein doch keine Politik gemacht, sondern bloß Zirkus.

Die 1920er Jahren sind Adam Steins goldene Zeit als König der Kabarettisten im kulturell aufstrebenden Berlin. Er besitzt außergewöhnliche magische Kräfte, die über normale Zaubertricks hinausgehen: Es scheint, als könne er mit Tieren sprechen und Gedanken lesen. Letzteres wird ihm zum Verhängnis, als er bei einer Vorstellung einem besonders niedergeschlagen wirkenden Mann (Willem Defoe) begegnet. Dieser sträubt sich, als Vorführobjekt für Steins Zaubertricks zu dienen, also nimmt ihn der Zauberer am Arm, um ihn auf die Bühne zu bugsieren. Doch dazu kommt es nicht. Stein erschrickt. Er sagt dem Unbekannten auf den Kopf zu, dass dieser sich am selben Abend das Leben nehmen wollte, anstatt in die Vorstellung zu gehen - und hat soeben seinen Tod getroffen.
1944 ist der Mann kein unbedeutender Wicht mehr: Er ist Untersturmführer im KZ Stellring und nimmt Adam Stein persönlich in Empfang. Nichts hat es genützt, dass Adam keine Politik, sondern bloß Zirkus gemacht hat. Nichts, dass auch die Nazis seine Vorstellungen besucht und über seine Witze gelacht haben. Jud bleibt Jud. Doch nicht dieser: "Der konnte jede Menge Tiere imitieren, Sie hätten ihn sehen sollen. Mach einen Hund, für Rex hier!" Kommandant Klein schickt Adam Stein auf allen Vieren in den Hundezwinger, wo er fortan zusammen mit Kleins Deutschem Schäfer leben muss. "Ein Leben für ein Leben" bietet Kommandant Klein seinem persönlichen Spaßmacher an: "Du kannst dein eigenes Leben retten, wenn du mein Hund wirst." Adam Stein wird zum Tier, um sein eigenes und das Leben seiner Familie zu retten. Er wird zu des Kommandanten persönlichem Schoßhund - im Wortsinn. Nur selten darf er wieder Mensch sein: Dann, wenn es gilt, den Weg der anderen Häftlinge in die Gaskammer auf der Geige zu begleiten.

1960 im Seizling Institut muss Adam Stein kein Hund mehr sein, doch er hat an seiner Vergangenheit zu knabbern. Er nutzt seine immensen manipulativen Fähigkeiten, um seine eigene Welt zu inszenieren. Eine Welt, in der ihn die anderen Patienten als eine Art Messias, als Erlöser und Entertainer sehen. Er ist Verführer und Clown, er trauert und sucht seinerseits nach Erlösung: "Kleine Tricks, notwendige Lügen, die wir alle brauchten, um zu überleben." Adam Stein verliert sich in seinen Schuldgefühlen: Zugesehen zu haben, wie seine Familie in den Tod geht; sein Leben gerettet zu haben, während das der anderen Gefangenen ausgelöscht wurde; überlebt zu haben aufgrund der Gnade eines Nazis und mit dessen Geld und Hilfe. Sein Leben verloren zu haben und dennoch nicht tot zu sein.
Ein Leben für ein LebenEin Leben für ein LebenEin Leben für ein Leben
Zuletzt ist es ein Hund, der Adam Stein zwingt, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Ein Hund, der einmal ein Junge war. Was ihm, David (Tudor Rapiteanu), wiederfahren ist, weiß niemand. Doch endlich gelingt es Adam Stein, seine magischen Fähigkeiten für jemand anderen einzusetzen - um ihm und schließlich sich selbst zu helfen.

Zum ersten Mal stehen in "Ein Leben für ein Leben" jüdische Schauspieler Seite an Seite mit deutschen - in einem Holocaust-Film. Zum ersten Mal spielen Deutsche keine Nazis sondern jüdische Überlebende. Es ist der erste Film seit Roberto Benignis "Das Leben ist schön" (1997), der sich dem Thema in tragikomischer Weise annähert. Er habe die Figur des Adam Stein von Anfang an als extrovertiert, als Entertainer gesehen, sagt Regisseur Paul Schrader. Doch er zeichnet auf der Romanvorlage von Yoram Kaniuk das Porträt eines Zerrissenen. Es ist Adam Steins größtes Dilemma: Sein Talent, Menschen zum Lachen zu bringen. Es hat sich gegen ihn gewandt. Er musste sein "Herrchen" unterhalten und hat dabei sich selbst verloren.

Es ist eine surreale Welt, in die Paul Schrader entführt. Eine Welt voll von Zeichen, Symbolen. "Dort steht er, er ist an allem Schuld!", lässt Schrader eine seiner Figuren sagen - und neben Dr. Nathan Gross steht kein anderer als Yoram Kaniuk höchstpersönlich. Die Insassen der Psychiatrie feiern zusammen das Purim-Fest - den jüdischen Karneval - und neben einem Sheriff mit Davidsstern ist auch der Tod persönlich zugegen. Jeff Goldblum brilliert in der Rolle des Adam Stein; die Intensität seines Spiels lässt einem die Haare zu Berge stehen. Er hat sich gut vorbereitet: Gehungert, Geige spielen gelernt, das Verhalten von Schäferhunden studiert.
Ein Leben für ein LebenEin Leben für ein LebenEin Leben für ein Leben
"Ein Leben für ein Leben" ist ein schwieriger Film, aber nicht nur aufgrund des Themas. Paul Schrader überlässt es über weite Strecken dem Zuschauer, das Warum zu verstehen. Manchmal stellt sich nach einigen Momenten ein Aha-Effekt ein, andere Details erklären sich nicht einfach aus der Handlung. Schrader lässt viel Spielraum für eigene Interpretationen, etwa für den Umstand, dass Adam Stein zwar keine Hunde in seiner Nähe dulden kann, aber von seiner Geliebten verlangt, sich wie ein Hund zu gebärden. Doch das Normale, das Logische, hat wenig Platz in dieser magischen Geschichte, wie Adam Stein selbst sagt:

"Ich wohne in einem lieblichen Tal, aber Gipfel gibt es nicht. Die Normalität kennt keine Freude, aber auch keinen Kummer, der einem das Herz zerreißt. Möge alles, was war, nicht mehr geschehen, und alles was geschiet, nie gewesen sein."

Eine Rezension von Anita Klingler
(15. Januar 2010)
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Daten zum Film
Ein Leben für ein Leben Deutschland, Israel, Amerika 2009
(Adam Resurrected)
Regie Paul Schrader Drehbuch
Produktion Ehud Bleiberg, Werner Wirsing
Darsteller Jeff Goldblum, Willem Dafoe, Ayelet Zurer, Joachim Król, Veronica Ferres, Moritz Bleibtreu
Länge 102 min FSK 12
http://www.ein-leben-fuer-ein-leben.de/
Filmmusik Gabriel Yared
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