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Boarding Gate

Boarding Gate

Ein Film von Olivier Assayas

Sandra, eine Ex-Prostituierte hat einen großen Traum: sie möchte einen eigenen Nachtclub in Beijing besitzen. Deshalb arbeitete sie lange Jahre als Edel-Nutte für Miles Rennberg, zu dem sie selbst eine sado-masochistische Beziehung hatte. Doch auch der Chinese Lester war einer ihrer Liebhaber, der ihr nach einem misslungenem Drogendeal - Sandras zweite Einnamequelle - zusammen mit ihrer Freundin Lisa zur Flucht nach Hongkong verhilft. Doch anstatt dort ein neues Leben anzufangen, muss sie bald darum kämpfen, überhaupt am Leben zu bleiben...

Boarding Gate ist der neue Film von Olivier Assayas, dessen bekanntester Film wohl Demonlover ist. Assayas hat aber einige interessante Einträge in seiner Filmographie, nicht zuletzt natürlich der sehr interessante Irma Vep mit Maggie Cheung, die sich selbst spielt. Der vorliegende Film tauchte kürzlich als Trailer bei apple.com auf, worüber ich mich sehr gefreut habe, da ja Asia Argento die Hauptrolle spielt. Interessanterweise lief der Film bisher in den USA nicht im Kino, wurde aber hierzulande schon auf DVD veröffentlicht, nachdem er vorher unter anderem bei den Filmfestspielen in Cannes lief. Kein Wunder, gibt es doch neben Asia Argento nur einen wirklich bekannten Namen im Cast: Michael Madsen. Aber bei dem guten Herrn muss man dann doch auch eher vorsichtig sein, denn neben seinen Ausflügen in die Gefilde seines berühmten Kumpels Quentin Tarantino drehte der Gute gelinde gesagt auch ziemlich viel Unfug. Un
d da mit ihm sogar auf dem Cover geworben wird, ist eine gute Portion Skepsis doch angebracht, auch wenn recht viele positive Kritiken auszugsweise angegeben werden. Doch im Laufe des Films stellt sich dann auch recht schnell heraus: Boarding Gate ist ein Film, den man weder wegen Action oder Sex schaut, und natürlich auch nicht wegen der Leistung von Michael Madsen; Boarding Gate ist wegen einer anderen Darstellerin sehenswert.

Was sich nach dem Trailer und auch gewissen Vorabinformationen wie eine typische Geschichte einer weiblichen sexy Killerin ließt, entpuppt sich dann recht schnell - ähnlich wie Rosario - Die Scherenfrau - als etwas ganz anderes (zum Guten oder zum Schlechten sei dahingestellt): Action gibt es wenig, Sex etwas mehr, dafür stellt sich aber keine wirkliche Spannung ein. Atmosphärisch kann das Geschehen aber durchaus überzeugen. In edel gefilmten, kühlen und durchgestylten Bildern vermittelt der Film eine irgendwo interessante, aber sehr entspannte Atmosphäre. Die Atmosphäre ist ähnlich ziellos wie die handelnde Protagonisten, der Zuschauer weiß ebensowenig wie diese, wo die Reise hingeht, auch wird man zu Beginn recht stark ins kalte Wasser geworfen, was die Orientierung im Film erschwert. Ich will das ganze jetzt nicht traumhaft oder verträumt nennen, aber vielleicht kann man die Stimmung des Films irgendwie als verschlafen oder surreal entspannt bezeichnen; was nicht unbedingt negativ gemeint ist, irgendwie passt das auch. So bekommt man definitiv mal etwas anderes zu sehen, und der Film erinnert auch atmosphärisch an den bereits vor längerer Zeit hier besprochenen Film Rosario - Die Scherenfrau.

Boarding Gate ist allerdings auch ein im wahrsten Sinne des Wortes zwiegespaltener Film. Die erste und die zweite Hälfte sind ziemlich unterschiedlich. Zu Beginn werden ein paar Figuren eingeführt, deren Rolle nicht wirklich klar herausgearbeitet ist, und auch so manche Szenenabfolge wirkt stellenweise bruchstückhaft, so dass man als Zuschauer aufmerksam bleiben muss und sich so manchen Zusammenhang auch erst einmal zusammen reimen muss. Überhaupt ist Boarding Gate ein sehr redefreudiges Stück Zelluloid geworden. Gerade die erste Hälfte ist sehr geschwätzig, was in zwei großen Dialogszenen zwischen Asia Argento und Michael Madsen mündet. Während die erste dazu dient, die wichtigen Figuren und deren Vergangenheit einzuführen, dreht sich die zweite vor allem um die Beziehung zwischen den beiden. Dies ist auch der erste Spannungshöhepunkt, so man diese Szene als solchen bezeichnen kann. Aber gerade diese Szene mündet dann in einem ersten Ausrufezeichen und kann trotz der Schleimigkeit von Michael Madsen irgendwo überzeugen. Sicherlich nicht zuletzt deshalb, weil Frau Argento sich nicht zu schade ist, ihren Körper und ihre Tatoos in knapper Unterwäsche zur Schau zu stellen.

Nicht zuletzt an der enormen Geschwätzigkeit des Films liegt es aber auch, dass häufig die Motive oder allein auch die Dialogzusammenhänge alles andere als klar erscheinen. Gerade in der großen Dialogsequenz in der Wohnung von Michael Madsen ist das Verhalten der beiden Figuren häufig tatsächlich schwer nachvollziehbar, und wohl auch nur über diese extreme, sad-masochistisch angehauchte Beziehung von ihnen erklärbar. Nur dass wir über die Vergangenheit dieser Konstellation wenig erfahren und uns daher den Hintergrund selbst konstruieren müssen, was dem Verständnis der Handlung nicht unbedingt zuträglich ist. Die zweite Hälfte in Hongkong ist dafür deutlich weniger redefreudig, da die Hauptperson Sandra ja kein Kantonesisch spricht. In dieser Welt taumelt sie erneut ziellos durchs Geschehen, diesmal aber vor Kulturschock. Auch muss die Dame hier dann recht bald um ihr Leben kämpfen, so dass der Actionanteil etwas erhöht wird, was aber in kurzen und realistischen Schießereien mündet. Dazu kommen noch ein paar sehr schöne Bilder der ehemaligen Kronkolonie, und erneut diese leicht verträumte Atmosphäre der anonymen und vor allem völlig fremden Metropole. Aber diese zweite Hälfte ist irgendwie schon cooler, spannender und unterhaltsamer als der erste Teil.

Und Asia Argento ist ein Hauptgrund dafür. Die Dame spielt völlig entfesselt, mit vollem Körpereinsatz und kann auch jenseits ihrer ansprechenden Optik mit ihrem Talent überzeugen. Quasi als One-Woman-Show stemmt sie die manchmal zerfahrene Regie über die Drehbuchlücken hinweg, so dass der Film selten wirklich langweilig wird. Schade ist jedoch, dass sie im Cast kaum einen würdigen Gegenspieler findet, vor allem Michael Madsen war selten aufgequollener und schleimiger als hier - was aber seiner Rolle nicht unbedingt schadet. Erwähnenswert bei Cast und Crew ist sicherlich noch der Soundtrack. Selten gab es ein dämlicheres, unpassenderes Lied im Abspann zu hören, dementsprechend führt die imdb auch keine credit-Nennung des Verantwortlichen.

Erschienen ist der Film bei Ascot. Das Cover zeigt eine Frau Argento in Unterwäsche mit Pistole, ist also schonmal recht ansprechend. Dafür hat der Covertexter den Film entweder nicht oder anders verstanden als ich, zumindest finde ich die Inhaltsangabe auf der Rückseite etwas diskussionswürdig. Das Bild überzeugt dafür, ebenso wie der Ton, was aber nichts herausragendes ist, da wir es ja mit einer aktuellen Produktion zu tun haben. Als Extras gibt es unter anderem mehrere Trailer und Interviews mit den Beteiligten. Vielen Dank an Ascot für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares!

Fazit: Mit Boarding Gate steht uns ähnlich wie bei Rosario wieder ein ungewöhnlicher, ruhiger Film ins Haus, der sich um eine Frau zwischen Prostituierte und Killerin dreht. Wer also ein Actionfeuerwerk erwartet, greife lieber zu etwas anderem, aber dieser ruhige Film wird vor allem durch die Leistung seiner Leading Lady sehr sehenswert.

Eine Rezension von David Kugler
(29. Juli 2008)
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Daten zum Film
Boarding Gate Frankreich 2007
(Boarding Gate)
Regie Olivier Assayas Drehbuch Olivier Assayas
Produktion Canal+ Kamera Yorick Le Saux
Darsteller Asia Argento, Michael Madsen, Kelly Lin, Carl Ng
Länge 101:58 FSK 16
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