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Wenn die Gondeln Trauer tragen

Wenn die Gondeln Trauer tragen

Ein Film von Nicolas Roeg

Was macht einen guten Horrorfilm aus?
Über diese Frage könnten sich Freunde der Kategorie gerne regelmäßig in die Haare kriegen. Für die einen sollte ein Horrorfilm einer Achterbahnfahrt entsprechen, bei welcher sich Gelächter und Schrecken abwechseln, andere sehen hinter dem Begriff eher tiefgründige und ernsthafte Filme stehen. Wenn man direkt vom ursprünglich lateinischen Wort ausgeht, bedeutet „Horror“ soviel wie „Schauder“ oder „Entsetzen“. Nun hängt es vom Betrachter selbst ab, was dieser nun als besonders schauderhaft oder entsetzlich erachtet – ob es sich nun um alte Klassiker wie Murnaus „Nosferatu“ (1922), eine Mixtur aus Spass und Gänsehaut à la „American Werewolf“ (1981) oder um eine psychologische Variante des Genres handelt.

Bei Nicolas Roegs „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ handelt es sich unbestritten um einen großen Klassiker des Horror- und Mystery-Films, in welchem die Grenzen zwischen der Realität und dem Übernatürlichen auf brillante Weise ineinander fließen.

Der englische Restaurator John Baxter (Donald Sutherland, „M.A.S.H.“, „Die Körperfresser kommen“, „Animal House“) sitzt mit seiner Frau Laura (Julie C
hristie, „Fahrenheit 451“, „Wenn Träume fliegen lernen“) im Wohnzimmer und arbeitet an seinem neuesten Projekt: Er soll bei der Renovierung einer alten Kirche in Venedig helfen. Ihre gemeinsamen Kinder Christine und Johnny spielen im riesigen Garten, als John plötzlich von einer grässlichen Vorahnung getrieben das Haus verlässt. Im anliegenden See findet er die Leiche seiner kleinen Tochter, die beim Spielen ins Wasser gefallen und ertrunken ist.
Wenn die Gondeln Trauer tragenWenn die Gondeln Trauer tragenWenn die Gondeln Trauer tragen
Wenig später reist das traumatisierte Paar nach Venedig um die Arbeit an der Kirche zu beginnen und auf diesem Weg vielleicht auch etwas Abstand von der entsetzlichen Tragödie zu gewinnen. Ihren Sohn Johnny haben sie über diese Zeit daheim in einem Internat gelassen.
In einem Restaurant begegnen die Baxters zwei merkwürdigen alten Damen, welche sie von ihrem Tisch aus anstarren. Laura hilft den Beiden beim Weg auf die Toilette, da eine von ihnen blind und der anderen ein Splitter ins Auge gekommen ist.

Dort angekommen erfährt sie dass es sich bei ihnen um Schwestern handelt und dass die blinde Heather über hellseherische Fähigkeiten verfüge. Sie und ihre Schwester Wendy haben das Paar deswegen angestarrt, da ihnen ein kleines und fröhliches Mädchen in einem knallroten Regelmantel aufgefallen sei, welches neben den Baxters gesessen habe. Es handele sich um deren Tochter Christine, welcher es dort, wo sie jetzt sei, ausgezeichnet ginge.
Laura ist von dieser Botschaft völlig überwältigt und bricht zurück am Esstisch in sich zusammen.

Im Krankenhaus erzählt sie ihrem Mann von der Geschichte, dieser ist jedoch gar nicht begeistert und macht sich Sorgen, dass Laura womöglich psychisch angeschlagen ist. Doch diese glaubt tatsächlich an Heathers Fähigkeit und trifft sich erneut mit den Schwestern um vielleicht während einer Seance Kontakt mit ihrer toten Tochter herzustellen. Dort wird Laura mitgeteilt dass sie mit John Venedig verlassen solle – ihm werde dort sonst etwas zustoßen.
Inzwischen wird die Lagunenstadt von einer unheimlichen Mordserie erschüttert. Während sich John und Laura auf dem Weg zu einem Restaurant in den dunklen Gassen Venedigs verlaufen, wird eine weitere Leiche entdeckt – und John bemerkt eine kleine Gestalt in einem knallroten Regenmantel, welche direkt vom Tatort zu kommen scheint und in ihrer Erscheinung Ähnlichkeit mit Christine hat…

Es kommt zu weiteren eigenartigen Geschehnissen, und sämtliche Personen im Umkreis scheinen sich merkwürdig zu verhalten. So muss Laura zurück nach England reisen, da sich der kleine Johnny eine Verletzung zugezogen hat. Obwohl sie bereits abgereist sein soll, meint John seine Frau mit Wendy und Heather auf einer Gondel in der Stadt vorbeifahren gesehen zu haben. Er macht sich große Sorgen und geht zur Polizei um das mysteriöse Geschehen aufzuklären und das okkulte Treiben der Schwestern untersuchen zu lassen. Doch auch dort trifft er auf einen nicht gerade hilfsbereiten Inspektor, der aus irgendwelchen Gründen nicht sonderlich an dem Fall interessiert zu sein scheint. John soll im Hotel abwarten, ob sich etwas ergibt. In der Zwischenzeit erhält er einen Anruf von Laura, die sich noch immer in England befindet und auch abstreitet, dass John sie in Venedig gesehen haben könne.

Die Polizei hat nun auch die blinde Heather verhört. John ist sein falscher Verdacht peinlich, und so holt er die eigenartige aber freundliche Dame vom Polizeirevier ab. Bei ihr zuhause, bitten sie und Wendy John dort zu bleiben. Doch dieser will wieder zurück ins Hotel um die aus England zurückkehrende Laura nicht zu verpassen. Diese hat sich aber ebenfalls auf den Weg zu den Schwestern gemacht und verpasst ihren Mann nur knapp. Dort angekommen bekommt Heather einen eigenartigen Anfall. Sie fleht Laura an, John zurückzuholen da er sich in schrecklicher Gefahr befände…

Im Vergleich mit vielen anderen Horrorfilmen sticht „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ erzähltechnisch hervor. Es handelt sich nicht um eine typische Killer- oder Monstergeschichte; die Ereignisse im Film werden eher subtil dargeboten und selten werden Zusammenhänge wirklich erklärt. Somit steht der Begriff „Horror“ in diesem Fall im Zeichen von unterschwelligem Grusel und Suspense.
Wenn die Gondeln Trauer tragenWenn die Gondeln Trauer tragenWenn die Gondeln Trauer tragen
Wenn man unbedingt Vergleiche suchen möchte, könnte man Roegs Klassiker als eine Art Vorläufer von David Lynch-Geschichten wie „Lost Highway“ (1997) oder „Inland Empire“ (2006) sehen, die sich ebenfalls dem rationalen Verständnis des Zuschauers verschließen und eher auf einer unterbewussten Ebene funktionieren.

So spielt z.B. die Farbe Rot eine zentrale Rolle und wirkt sich wie ein Katalysator auf die schrecklichen Geschehnisse aus. Besonders gelungen ist in diesem Zusammenhang der Anfang des Films, in welchem Christines Tod als Folge einer Art Kettenreaktion dargestellt wird, die auch in der äußerst schockierenden Schlussszene wieder aufgegriffen wird.

Ansonsten bekommt man als Zuschauer kaum Anhaltspunkte, was in dieser einerseits traumhaften aber andererseits auch unheimlichen und geheimnisvollen Stadt vor sich geht. Man folgt dem Ehepaar durch dunkle Gassen zu suspekten Personen, die man teils nur auf Italienisch flüstern hört, und deren Beteiligung am Geschehen sich einem völlig zu verschließen scheint.

Und genau in diesem Punkt liegt auch die grosse Spannung von „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ begründet: Dieser Film lässt den Zuschauer in einer eigenartigen Stadt, ja einer eigenartigen Welt, schweifen und bleibt ihm letztlich eine rationale Erklärung für Ereignisse schuldig. Nichts ist beunruhigender und schauriger als das Unerklärliche.

Einen weiteren grossen Stellenwert nimmt neben den beiden Hauptdarstellern Donald Sutherland und Julie Christie Venedig ein, welches von Kameramann Anthony B. Richmond („Candymans Fluch“) in düstere Farben getaucht worden ist. Tod und Unheil scheinen in dieser Stadt stets präsent zu sein, auch wenn man dieses Gefühl nicht genauer zu begründen vermag. Venedig wird hier als ein spiritueller Ort dargestellt, in welchem sich das Hier und Jetzt mit dem Jenseits zu mischen scheint. Als starker Kontrast zu den düsteren Ecken der Stadt wirkt dann die bereits genannte „Signalfarbe“ Rot, welche in bestimmten Schlüsselszenen auftaucht und schließlich einzelne Ereignisse zu einer Kette zusammenfügt.

In seinem Spiel mit Farben und dem besonderen Augenmerk auf den Ort des Geschehens erinnert Roegs Film auch leicht an das Meisterwerk „Suspiria“ (1977) von Dario Argento, welches in der deutschen Stadt Freiburg angesiedelt ist.

Auch sämtliche Charaktere bis auf die beiden Bezugspersonen John und Laura scheinen mehr zu wissen als sie tatsächlich preisgeben. Man fühlt sich mit dem Paar ein wenig verloren in der Stadt und manchmal wirken die Geschehnisse wie eine unerklärliche und riesige Verschwörung.

Die Geschichte an sich beginnt mit dem Tod der kleinen Christine im See und funktioniert über weite Strecken ähnlich wie ein übersinnliches Familiendrama. Das Damocles-Schwert, welches über John zu hängen scheint, ist für den Zuschauer nicht sichtbar, aber man spürt die grosse Gefahr, in welcher sich der Protagonist befindet, und hofft dass sich das Schicksal möglicherweise noch einmal wenden mag bevor alles zu spät ist.
Auch zwischen dem sich liebenden Paar steht der Tod – der frühzeitige Tod ihrer Tochter –, doch es versucht dagegen anzukämpfen und ihr gemeinsames Leben wieder ins Reine zu bringen.
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Letztlich muss jeder Zuschauer selbst schauen, welchen Sinn er aus diesem Werk für sich ziehen kann. Der gesamte Film ist an etlichen Stellen offen für Assoziationen und Interpretationen, die Frage ist ob und wie weit man hier in die Tiefe geht.
„Wenn die Gondeln Trauer tragen“ ist ein ähnliches Kunstwerk wie ein Gemälde: Man kann es sich ansehen und sich einfach von den Formen und Farben überwältigen lassen, oder man kann sich Gedanken machen was sich wohl hinter dem grossen Mysterium verbirgt...

Eine Rezension von Bastian G.
(25. Juni 2007)
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Daten zum Film
Wenn die Gondeln Trauer tragen Großbritannien, Italien 1973
(Don't Look Now)
Regie Nicolas Roeg Drehbuch Allan Scott & Chris Bryant, basierend auf einer Geschichte von Daphne Du Maurier
Produktion Casey Productions Ltd., Eldorado Films, s.r.l. Kamera Anthony B. Richmond
Darsteller Julie Christie, Donald Sutherland, Hilary Mason, Clelia Matania, Massimo Serato, Renato Scarpa, Leopoldo Trieste
Länge 110 min. FSK ab 16 Jahren
Filmmusik Pino Donaggio
Kommentare zu dieser Kritik
TVZombie sagte am 24.04.2009 um 14:11 Uhr

"Wenn die Gondeln Trauer tragen" ist ein phantastischer, düsterer Mysterythriller von unaufhaltbarer Spannung, trickreicher Bebilderung und wundervoller Musik von Pino Donaggio. Sollte man gesehen haben.
travisbickle TEAM sagte am 28.07.2009 um 16:37 Uhr

Es gibt wenige Horrorfilme, die mit diesem mithalten können. Damals, als ich die "Gondeln" das erste Mal sah (ich glaube es war mit 14 ?), hat er mir einige schlaflose Nächte bereitet. Das ganze Werk ist mit einer, wie schon richtig beschrieben, unterschwelligen, unheilvollen Spannung durchzogen, die einen einfach nicht loslassen will. Und mal ehrlich: Die Endszene hat mit Sicherheit keinen kalt gelassen, der sie gesehen hat.

Wichtig fand ich auch den Aspekt mit der Farbdramaturgie, mit der Nicholas Roeg arbeitet. Vergleiche mit SUSPIRIA und- in etwas anderem Sinne- den Lynch-Werken kommen nicht von ungefähr.

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