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Thirst Street

Thirst Street

Ein Film von Nathan Silver


IM AUGE DES BETRACHTERS


Waren wir nicht alle schon einmal irgendwie verliebt? Feuchte Hände, Hitzewallungen, ein Herz, das bis zum Hals schlägt – kurzum: Wenn es einen richtig erwischt hat, gehört das volle Programm zur Tagesordnung. Liebe ist vielfältig. Das macht sie schön. Liebe ist aber auch äußerst unberechenbar. Und das tut mitunter weh, wie uns Nathan Silver („Actor Martinez“ [2016]) mit seinem schwarzhumorigen Liebes-Thriller „THIRST STREET“ eindrucksvoll vor Augen führt.


Der Film begleitet die junge, amerikanische Stewardess Gina (Lindsay Burdge), deren Geliebter kürzlich Selbstmord begangen hat, auf einem amourösen Abenteuer, durch das sie sich unsterblich in den Pariser Lebemann Jérôme (Damien Bonnard) verliebt. Schon schnell ist für die junge Frau klar, dass Jérôme der Mann fürs Leben ist, und so beschließt sie kurzerhand, nach Paris zu ziehen, um ihrem Liebsten fortan so nah wie möglich sein zu können. Doch Jérôme ist von diesem Zug nicht gerade begeistert, da die Liebelei für ihn nie mehr als nur ein kurzes, aber schönes Abenteuer dargestellt hat. Ein Umstand, den Gina aber nicht wahrhaben möchte. Sie glaubt weiter an Vorsehung und verfängt sich zusehends in einem engmaschigen Netz aus Gefühlschaos, Besessenheit und blinder Hingabe...


„THIRST STREET“ ist ein Film, der durch die locker-flockige Erzählstimme von Anjelica
Huston
(„Die Addams Family“ [1991]) und die knalligen Bonbonfarben eines verträumt und nie so recht aufgeweckt wirkenden Paris wie eine charmante Liebeskomödie daherkommt. Doch der Schein trügt ungemein. Denn die wahre, bedingungslose Liebe ist zumindest für unsere Hauptfigur Gina hier nur ein Traum, aus dem sie unter keinen Umständen erwachen möchte. Ihre Vorstellung eines liebenden Partners wird so Teil eines eigenen kleinen Mikrokosmos, der sich widerspenstig gegen alle äußeren Einflüsse abschottet, ganz gleich, wie stark und eindeutig sie auch sein mögen. Die nach dem Selbstmord ihres Geliebten stark traumatisierte Gina verankert vielmehr jedwede Hoffnung auf Besserung ihres bemitleidenswerten Zustandes in einer Traumblase, die selbst dann nicht zerplatzt, als Jérôme sich genüsslich vor ihren Augen mit einer anderen Frau vergnügt. Blind vor Liebe träumt unsere Protagonistin weiter eine Lüge, während die Wahrheit derweil auf einem Silbertablett in unmittelbarer Nähe steht und langsam, aber sicher Staub ansetzt.


Nathan Silver spinnt dieses Vexierspiel aus blinder, unerwiderter Liebe mit bitterer Konsequenz weiter, und der Zuschauer weiß schon bald nicht mehr, ob er die Besessenheit Ginas mit zunehmender Laufzeit „nur“ manisch oder doch schon krankhaft nennen soll. Trotz einiger schwarzhumoriger Elemente, während der das Lachen schon frühzeitig im Keim erstickt wird, ist die komplette Szenerie über 83 Minuten eine zutiefst unangenehme, woran auch die malerisch-verträumte Kulisse von Paris nichts zu ändern vermag. Gina liebt mit jeder Faser ihres Körpers, verschreibt sich vollends der unmöglichen Mission, mit „ihrem“ Jérôme glücklich zu werden, und kreiert so durch ihren gelebten Fiebertraum einen Albtraum für alle anderen, insbesondere Jérôme. Ihre Liebe wird zur Waffe in einem an sich aussichtslosen Kampf, dessen Endgültigkeit sich jedoch geschickt vor Ginas Augen inmitten einer aus Depression geborenen Wahnvorstellung verbirgt. Sie liebt. Punkt. Und mehr als das zählt nicht für sie.


Liebe verschleiert mitunter den Blick auf das Offensichtliche und lässt rosarote Luftschlösser inmitten der grausten Tristesse entstehen. Lindsay Burdge („6 Years“ [2015]) zieht mit ihrer einnehmenden Interpretation einer zutiefst (liebes)gestörten Frau in ein solches ein, indem sie Gina als doppelbödigen Charakter anlegt: auf der einen Seite liebevoll-naiv, auf der anderen Seite wiederum kompromisslos und triebgesteuert, ist Gina eine Person, die man gleichzeitig umarmen und wieder von sich stoßen möchte. Diese Ambivalenz kommt der an sich einfachen Geschichte zugute: Denn wenn Liebe per se schon nicht einfach ist, warum soll es dann mit den Menschen, die unmittelbar von ihr betroffen sind, anders sein? Das Individuum Gina ist im Falle von Silvers „THIRST STREET“ somit Anschauungs- und Abschreckungsmaterial zugleich, das eindrucksvoll aufzeigt, dass Liebe manchmal eben durchaus folgenschwer im Auge des jeweiligen Betrachters liegt.


Fazit: „Love the way you hate me!“ – Dieser zunächst so sanft anmutende amouröse Reigen ist Liebesfilm, Drama, Thriller, schwarze Komödie und Psychogramm einer deprimierten Frau gleichermaßen. Und dabei in seiner kurzweiligen Gesamtheit schlicht ausgezeichnet.


Randnotiz: Der Film feierte am 15.09.2017 seine Deutschlandpremiere auf dem 24. Internationalen Filmfest Oldenburg. Dort erhielt Lindsay Burdge verdientermaßen den Seymour Cassel Award als beste weibliche Darstellerin.



Eine Rezension von Stefan Rackow
(13. Oktober 2017)
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Daten zum Film
Thirst Street Frankreich, USA 2017
Regie Nathan Silver Drehbuch Nathan Silver, C. Mason Wells
Produktion PaperMoon Films / In Vivo Films / Industry Standard Films / Maudit Films / Salem Street Entertainment / Solab / The Third Generation / UnLTD Productions / Washington Square Films / Yellow Bear Films Kamera Sean Price Williams
Darsteller Lindsay Burdge, Damien Bonnard, Lola Bessis, Esther Garrel, Alice de Lencquesaing, Christophe Tek, Françoise Lebrun, Jacques Nolot, Sarah-Megan Allouch-Mainier, Valerie Laury, u.a.
Länge 83 Minuten FSK voraussichtlich ab 12 Jahren
http://www.samuelgoldwynfilms.com/thirst-street/
Filmmusik Paul Grimstad
Erzählerin Anjelica Huston
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