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Kap der Angst

Kap der Angst

Ein Film von Martin Scorsese

Was für eine Verschwendung. Da inszeniert Martin Scorsese ein Remake des Thrillers EIN KÖDER FÜR DIE BESTIE von 1962, holt sich dafür Robert De Niro, Nick Nolte und Jessica Lange, bringt den Hitchcock-Ausstatter Henry Bumstead (VERTIGO), seine Oscar-prämierte Cutterin Thelma Schoonmaker und den britischen Kamera-Veteranen Freddie Francis an Bord – und heraus kommt ein unangenehmer Hollywood-Thriller, der so lange auf die Sinne einprügelt, bis man nichts mehr spürt.

De Niro spielt Max Cady, der nach 14 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird und seinem damaligen Verteidiger, dem Anwalt Sam Bowden (Nick Nolte), und dessen Familie nachstellt: Cady hatte seinerzeit ein junges Mädchen vergewaltigt, und Bowden hat ein Gutachten, das Cadys Strafe hätte mindern können, verschwinden lassen. Letzteres Detail ist der Ansatz von Scorseses Neuinterpretation: In seiner Welt gibt es, im Gegensatz zu der des Originalfilms, keine unschuldigen Männer, nur verschiedene Schattierungen des Schlechten – Bowden hat seine Frau betrogen und wird im Streit mit seiner Tochter auch schon mal handgreiflich; ein Sherriff schlägt ihm wenig mißverständlich vor, Bowden solle seine Familie einfach als Köder verwenden und dann Cady in Notwehr erschießen; und ein angeheuerter Privatdetektiv kennt einige Männer, die Cady für ein wenig Geld für ein paar Wochen ins Krankenhau
s befördern könnten.

Die Graustufen in der Charakterisierung wären interessant – wenn nicht Cady selbst als so abstoßend und böse gezeichnet wäre, daß sich dadurch alle Komplexität der Figurenkonstellation wieder auf ein einfaches Schwarz-Weiß-Zeichnen reduzieren würde. Schon in seiner ersten Begegnung mit Bowdens Familie ist Cady ein ekliger Widerling; kurz darauf vergiftet er den Hund der Familie und vergewaltigt eine Arbeitskollegin von Bowden, der er ein Stück Fleisch aus der Wange beißt und die er dann krankenhausreif schlägt (der Tod des Hundes scheint der Familie im Übrigen näherzugehen und findet auch im Film öfter Erwähnung). Die übertriebene Brutalität dieser Handlungen löscht die Möglichkeit völlig aus, daß die Eskalation von Gewalt in der Handlung nicht nur allein Cadys Schuld ist; oder auch die Frage, ob hinter Cadys Wunsch nach Rache für seine verlorenen 14 Jahre nicht doch ein nachvollziehbar, wenn auch nicht rechtzufertigender Grund steckt: Cady ist ein derartiges Monster, daß der Film schon nach kurzer Zeit keine Rechtfertigung mehr dafür braucht, daß der Mann ausgelöscht werden muß.

Kap der AngstKap der AngstKap der Angst
Auch andere Scorsese-Filme erzählen von menschlichen Abgründen, aber sie halten auch stets ein Auge auf die Menschlichkeit der Figuren. Denken wir an TAXI DRIVER, wo das finale Blutbad nur eine bittere Konsequenz des zuvor gezeichneten Psychogramms ist, und wo Scorsese die physische Gewalt zeigt, beim emotionalen Schmerz aber wegschwenkt, um die Isolation der Figur zu unterstreichen (Bickles Zurückweisung am Telefon). Oder denken wir an KING OF COMEDY, wo der erfolglose Möchtegernkomiker Rupert Pupkin zwar in seiner Beharrlichkeit und Penetranz klar obsessive Züge erhält, aber von Scorsese ganz richtig als eigentlich tragischer, einsamer Mensch verstanden und gezeigt wird. KAP DER ANGST gesteht seinen Figuren diese Menschlichkeit nie zu: Cady ist ein brutaler Irrer, dessen Beweggründe nie über die blinde Rache hinausgehen; wenn er im überzeichneten Showdown abgefackelt, zusammengeschlagen und dann ertränkt wird, als wäre er Jason Voorhees, dann lacht und singt er selbst noch im Angesicht des Todes wahnsinnig vor sich hin. Sam Bowden wird es nie erlaubt, die Geschehnisse zu hinterfragen. Und die beiden erwachsenen Frauen sind reine Opferrollen: Bowdens Frau, die sich erst wegen Sams früherem Seitensprung mit ihm lautstark bekriegen darf, und die sich dann unter Cadys Bedrohung sexuell anbieten darf, damit er von ihrer Tochter abläßt – aber noch mehr die genannte Arbeitskollegin, deren Funktion es ist, vergewaltigt zu werden, dann mit aufgeplatztem Gesicht im Krankenhaus uns den Schauwert zu geben, wie gefährlich Cady ist, und schlußendlich sich zu weigern, Cady vor Gericht zu zerren, weil sie die unangenehmen Fragen zur Vergewaltigung nicht beantworten möchte. Alle Charaktere sind reine Zahnräder in Plot-Mechanismus, der unaufhaltsam von Gewaltausbruch zu Gewaltausbruch knirscht.

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KAP DER ANGST war eine Auftragsproduktion, zu der man Scorsese ein Jahr lang überreden mußte: Ausgerechnet Steven Spielberg, dessen Firma Amblin den Film produzierte und der zunächst selbst Regie führen sollte (seine ursprüngliche Wahl für Max Cady laßt nur erahnen, wieviel interessanter der Film hätte werden können: Bill Murray!), legte Scorsese ans Herz, den Film zu machen, weil er ein sicherer kommerzieller Erfolg sei und ihm damit mehr Möglichkeiten für die Filme geben würde, die ihm mehr am Herzen liegen. So sieht das Resultat auch letzten Endes dann auch aus, als müßte sich Scorsese die Langeweile vertreiben: Die Kamera rast und fliegt und dreht sich durch die Gegend, die Story explodiert in kürzester Zeit, der Schnittrhythmus läßt keinerlei Gelegenheit, daß sich ein Bild setzen kann oder die Figuren Zeit und Platz hätten, sich im Strom des Plots zu behaupten. Es bleibt einem gar nichts anderes über, als sich als Zuseher unterzuordnen und sich das Adrenalin an der steten Gewalt diktieren zu lassen.

In der Mitte des Films existiert eine lange Sequenz, als wäre sie aus einem anderen, besseren Film: Cady gibt sich als Theaterlehrer aus und lockt Bowdens 15jährige Tochter (Juliette Lewis) in einen leeren Raum in der Schule, wo er ihr Ideen von Rebellion gegen elterliche Moralvorstellungen in den Kopf setzt und sie, nachdem er ihr den Status einer erwachsenen Frau durch das Reden über Sexualität zuspricht, küßt. Die Tochter bleibt, obwohl sie weiß, um wen es sich handelt, und läßt sich von Cadys Worten einwickeln: Sie spürt die Versuchung des Verbotenen und fühlt sich von Cady ernstgenommen, von seiner bedingungslosen Freiheit angezogen – viel mehr als von den Verboten der Eltern und dem Kindsein, das sie dort immer noch erlebt. In der ganzen Szene hält die Kamera ganz ruhig auf das improvisierte Geschehen, das so viel interessanter und vielschichtiger funktioniert als der ganze Rest des Films.

Wenn man einen Film über die Versuchung des Bösen machen will, sollte man zusehen, das Böse auch interessant zu gestalten und nicht nur widerlich. Wenn man einen Film über die Schattierungen von menschlichen Fehlleistungen machen will, sollte man zusehen, daß nicht doch hinterher ein banaler Mann-gegen-Monster-Kampf dabei herauskommt. Was Martin Scorsese mit KAP DER ANGST zeigt, ist, daß er wie jeder halbwegs kompetente Hollywood-Techniker einen harten, oberflächlichen Thriller hinbekommt, der den Tod mehr zelebriert als seine Figuren. Gratulation.

Eine Rezension von Christian Genzel
(26. Oktober 2009)
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Daten zum Film
Kap der Angst USA 1991
(Cape Fear)
Regie Martin Scorsese Drehbuch Wesley Strick
Produktion Amblin Entertainment / Cappa Films / Tribeca Productions Kamera Freddie Francis
Darsteller Robert De Niro, Nick Nolte, Jessica Lange, Juliette Lewis, Joe Don Baker, Robert Mitchum, Gregory Peck, Martin Balsam
Länge 122 FSK
Filmmusik Elmer Bernstein / Bernhard Herrmann
Kommentare zu dieser Kritik
travisbickle TEAM sagte am 26.10.2009 um 15:46 Uhr

Halt, Moment...

KAP DER ANGST ist nicht der beste Scorsese, ok! Dennoch ist es ein perfekt gemachter Thriller mit den typischen Scorsese-Themen. Und selten war "das Böse" so widerlich, aber eben auch so faszinierend wie hier. De Niro als Max Cady ist unschlagbar - jede Geste, jede Bewegung, jeder Satz von ihm sitzt! Ebenso bei seinem Gegenspieler, gespielt von Nick Nolte. Ich habe den Film wenn`s hinkommt sechs Mal gesehen - und finde ihn immer wieder klasse!

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