"Justice is served."
Ben Affleck ist ein PhĂ€nomen, wie es im Buche steht. Welcher Schauspieler kann schon mit Fug und Recht von sich behaupten, mit nur einem einzigen Gesichtsausdruck verschiedenste GefĂŒhle ĂŒberzeugend auf die Leinwand zu transportieren? Keiner? Richtige Antwort, meinen GlĂŒckwunsch, da spricht der Filmkenner. Oder der einem jeden Menschen zukommende gesunde Menschenverstand. Auch Affleck gelingt dieses KunststĂŒck, an dem sich seit Jahren einige sogenannte Schauspieler versuchen, nicht. DafĂŒr scheint er wohl einer derjenigen zu sein, die den Begriff der Mimik weniger dem Bereich âFilmâ als vielmehr der Biologie zuordnen.
Dass hier die
Mimikry fĂŒr etwas herhalten muss, was sie gar nicht ist, lĂ€sst den Biologen aufstöhnen â und schafft fĂŒr den Rezensierenden einen gelungenen Ăbergang zum eigentlichen Thema. Die Mimikry bezeichnet im Tierreich nĂ€mlich das Nachahmen von Körpergestalt, FĂ€rbung oder Verhalten eines anderen Tieres â genauso wie Ben Affleck hin und wieder versucht, seine erfolgreicheren und begabteren Kollegen zu kopieren. Doch Schein ist nun mal nicht gleich Sein. Ben wĂŒrde wegen dieser Worte jetzt wahrscheinlich sauer gucken, also so wie immer. Oder entrĂŒstet, verĂ€rgert oder vielleicht sogar amĂŒsiert? Ganz egal, wie man seinen Gesichtsausdruck deutet â der Mann hat Erfolg, und das nicht zu knapp. Wie gesagt: ein PhĂ€nomen.
Weniger phÀnomena
l kommt da schon
âDAREDEVILâ daher, der 2003 â
Spider-Manâ und Konsorten als weitere aufwĂ€ndige Leinwand-Adaption eines Superhelden-Comics auf das Zelluloid folgte. Regisseur
Mark Steven Johnson wollte GroĂes erschaffen, hatte doch vor allem die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft dafĂŒr gesorgt, dass Comic-Verfilmungen wieder âinâ waren.
Wie bei Superhelden-Geschichten ĂŒblich, ist auch hier der rote Faden des Drehbuches, fĂŒr das ebenfalls Johnson verantwortlich zeichnet, eng mit dem Thema Gut gegen Böse verwoben. Affleck spielt Matt Murdock, der in jungen Jahren einen Unfall mit radioaktivem Abfall hat und dadurch sein Augenlicht verliert. Doch das Schicksal, so grausam es auch in diesem Fall sein mag, hĂ€lt fĂŒr Matt zu diesem Zeitpunkt eine Ăberraschung bereit. Fortan besitzt er eine Art sechsten Sinn, der es ihm ermöglicht, trotz Blindheit seine nĂ€here Umgebung wahrzunehmen. Aber das Schicksal ruht sich nicht aus, sondern spielt munter weiter eine tragende Rolle, als Matts Vater brutal ermordet wird. Matt schwört, seinen Vater zu rĂ€chen. Dieser Plan soll Jahre spĂ€ter â inzwischen ist Matt als Anwalt tĂ€tig â weiterreifen. Sorgt der junge Anwalt am Tag im Gerichtssaal fĂŒr Gerechtigkeit, ist er des Nachts als der Daredevil unterwegs. Maskiert, wie es sich fĂŒr Superhelden gehört, fĂŒhrt er zu Unrecht freigelassene Verbrecher ihrer â seiner Meinung nach â gerechten Strafe zu.
So schwer ihm das Schicksal auch mitgespielt haben mag, so scheint es in dem Moment guten Willens zu sein, als Matt die junge und bildschöne MillionĂ€rstochter Elektra Natchios (eine Augenweide: Jennifer Garner) kennenlernt und sich in sie verliebt. Das Schicksal nimmt eine zunĂ€chst positive Wendung. Doch bald schon sollen dunkle Wolken am Horizont der Ungestörtheit aufziehen. Elektras Vater, der Industrielle Nikolas Natchios (Erick Avari), will eines Tages aus einem VerbrecherâSyndikat aussteigen, was der Gangsterboss, der imposante Kingpin (Michael Clarke Duncan), nicht gutheiĂen will. Kurzum heuert er den wahnsinnigen Auftragskiller Bullseye (Colin Farrell) an, das âProblem zu beseitigenâ. Bullseye, der die Personifizierung des Adjektivs âtreffsicherâ zu sein scheint, nimmt sich dieser Aufgabe an, rechnet jedoch nicht damit, dass ihm Matt âDaredevilâ Murdock bei der AusfĂŒhrung des Jobs in die Quere kommt. Traurigerweise wird dieser durch eine selbstverschuldete Unachtsamkeit fĂŒr kurze Zeit entwaffnet und muss miterleben, wie Bullseye Elektras Vater mit dem Kampfstock des Daredevils tötet. Elektra, die ihren toten Vater findet, schlussfolgert, dass Daredevil der Mörder des Industriellen ist und bereitet sich auf den alles entscheidenden Kampf Elektra â Daredevil vor.
Aus dieser Story hĂ€tte man zweifelsohne viel machen können. Konjunktiv. Die RealitĂ€t sieht â wie so hĂ€ufig â anders aus. Zwar ist die Inszenierung Johnsons teilweise schön dĂŒster geraten, so dass man geneigt ist, Parallelen zu
Batman und Gotham City zu ziehen. Doch wo der schwarzgekleidete Flattermann noch mit AtmosphĂ€re punkten konnte, verlĂ€sst sich Johnsons Superhelden-MĂ€r leider nur allzu oft auf perfekt choreographierte Kampfsequenzen und recht ansehnliche, wenngleich nicht ĂŒberragende Visual Effects. Vertiefung der Story und Charakterzeichnung? Fehlanzeige. Reichlich oberflĂ€chlich dĂŒmpelt die Story dahin, springt wie der Titelheld von einer Action-Szene zur nĂ€chsten und erwirkt dadurch beim Zuschauer mehr ErmĂŒdung als Aufmerksamkeit.
Schade eigentlich, denn die Grundthemen des Films (Gerechtigkeit, Rache, Selbstjustiz) hĂ€tten locker fĂŒr einen soliden Actioner gereicht, der durch etwas mehr Konzentration auf die erzĂ€hlte Geschichte sogar ein richtig guter Film hĂ€tte werden können. So muss man mit ansehen, wie Ben Affleck nicht so richtig in die Rolle des Gerechtigkeit fordernden Teufels passen mag. Sein Spiel wirkt unsicher, seine dargestellte Person zu wenig ausgearbeitet, um BegeisterungsstĂŒrme herbeizufĂŒhren.
Colin Farrell nimmt man hingegen den treffsicheren Wahnsinnigen komplett ab. Keine Ahnung, ob der Gute darauf stolz sein kann. Und ĂŒber
Jennifer Garner muss man fast kein Wort mehr verlieren, hat sie doch schon in der kurzlebigen Hit-Serie âALIAS â Die Agentinâ bewiesen, dass sie fĂŒr toughe und kampferprobte Rollen geradezu prĂ€destiniert ist.
Somit hat
âDAREDEVILâ neben einigen netten Schauwerten fĂŒr sowohl mĂ€nnliche als auch weibliche Zuschauer nicht wirklich viel zu bieten, was zur traurigen Konsequenz hat, dass der Film aus dem â den Vorzeichen nach â schon so sicher geglaubten soliden Mittelfeld leider fast komplett ins dunkle Abseits katapultiert wird. Aus dem Licht in den Schatten. Einzig die solide Inszenierung rettet den Film vor dem Totalausfall. Vielleicht hĂ€tte Regisseur Johnson einfach nicht seinem GefĂŒhl
blind vertrauen dĂŒrfen. Eventuell fehlte ihm aber auch einfach nur der sechste Sinn...?!
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Ghost Rider" [2007]