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Blutige Seide

Blutige Seide

Ein Film von Mario Bava

Ein Modesalon wird von einer mysteriösen Mordserie erschüttert: mehrere Models werden von einem brutalen Killer getötet, die Polizei tappt im Dunkeln. Nach und nach stellt sich heraus, dass die Morde mit einer Handtasche und einem geheimnisvollen Tagebuch zusammenhängen. Doch jeder in der Welt der Schönen und Reichen hat ein Motiv, und die Morde gehen weiter...

So kann man knapp die (zugegeben recht simple) Handlung eines Urfilms des modernen Horrorkinos zusammenfassen: "Blutige Seide" (Sei donne per l'assassino) von Mario Bava. Der Film begründete das Genre des Giallo und war Wegbereiter für die weitere Entwicklung des Horrorkinos.

Das italienische Kino, das heute ziemlich am Boden liegt, erlebte in den 60er und 70er Jahren einen unglaublichen Boom. Manche Kritiker witzeln, dass jeder, der eine Kamera halten konnte, damals Filme gedreht hat. Vor allem im Bereich der Spaghetti-Western, der Horrorfilme mit dem Subgenre des Giallo, der Polizeifilme (Poliziesco) etc. entstand eine fast unüberschaubare Flut an Produktion unterschiedlicher Qualitätsstufe - Meisterwerke und Klassiker, Schrott und absolute Exploitation. Und obwohl viele Filme mit lachhaft niedrigen Budgets entstanden, übten sie einen großen Einfluss auf die heutige Filmlandschaft aus und werden nach und nach (wieder-)entdeckt.
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Blutige SeideBlutige SeideBlutige Seide
"Blutige Seide" wird allgemein als der erste Giallo bezeichnet. Er vereinte alle Merkmale des Giallo-Genres zum ersten Mal und gilt deshalb als Begründer des Genres. Was ist ein Giallo? Dieses fast vergessene Subgenre zu erklären ist keine leichte Aufgabe, da die sprachliche Benutzung des Wortes unterschiedlich ist.

In Italien bezeichnet Giallo schlicht und ergreifend die Farbe "gelb".
Als Hintergrund dazu muss man wissen, dass Trivialliteratur und Schundromane in Italien traditionell einen gelben Einband hatten. In diesen Groschenromanen wurden auf meist reißerische Art Krimigeschichten erzählt Im italienischen Sprachgebrauch bezeichnet Giallo (Gialli im plural) demzufolge auch allerlei Filme die im weitesten Sinne dem Thriller- oder Spannungskino zuzurechnen sind.
Im nicht-italienischen Sprachgebrauch bezeichnet Giallo eine bestimmte Art des italienischen Kriminalfilms, die sich durch verschiedene Merkmale auszeichnet:
Es ist nicht ganz einfach, einen Giallo für Leute die noch nie einen gesehen haben von einem Krimi oder Slasher abzugrenzen. Grundsätzlich kann man sagen, dass ein Giallo kein "Whodunit" ist, also es geht weniger darum wer der Mörder ist, sondern "Howdunit" und "Whydunit". Der Schwerpunkt liegt also auf die Art und Weise der Morde, und vor allem auf dem Motiv. Gialli zeichnen sich des weiteren durch die Darstellung expliziter Gewalt aus, ausserdem steht vor allem die psychische Motivation des Täters, der eh die heimliche Hauptrolle stellt, im Mittelpunkt. Gialli zeichnen sich auch selten durch eine komplexe Geschichte aus, sondern legen ihren Schwerpunkt auf eine stark visuelle Komponente.

Weiterhin gibt es verschiedene Motive, die typisch für Gialli sind: Der Täter trägt immer (schwarze Leder-)Handschuhe, es werden häufig Spiegel benutzt (dazu noch mehr), von den Mordserien ist häufiger die bessere Gesellschaft betroffen, der Täter kann vom Zuschauer selten erraten werden, es gibt (abnorme) Sexualität, Kindheitstraumen, Rasiermesser und verschiedene aussergewöhnliche Mordwerkzeuge, besondere Musik, sowie die enorm stilisierte Optik etc.
Gialli verarbeiten oft Bezüge zur klassischen Kunst wie Malerei und Oper. Dies schlägt sich auch in der filmischen Struktur nieder, die oft an die Aufzüge einer Oper erinnert. Der Giallo zerfällt oft in einzelne kleine Filme, die ihren Spannungshöhepunkt in einer längeren Mordsequenz finden.
Das Spiegelmotiv ist nicht nur für die Optik ein nettes Spielzeug, sondern hat auch eine Bedeutung im Subtext: es herrscht eine Atmosphäre der Paranoia und Dekadenz vor, und unter der Oberfläche der wohlhabenden Gesellschaft gibt es dunkle Flecken.

Zurück zu dem Film "Blutige Seide". Mario Bava, einer der großen Regisseure des italienischen Kinos und auch bekannt für viele gotische Horrorfilme, verpackte die simple Geschichte des Films in eine grandiose Optik. Die Beleuchtung des Films ist absolut knallbunt, die Lichtquellen leuchten stellenweise sehr übertrieben und immer wieder taucht die Signalfarbe rot auf. Auch zu Beginn befinden sich im Modesalon mehrere Damenpuppen, die mit fortschreitender Filmdauer durch immer mehr "Gerippe" ersetzt werden - eine nette kleine visuelle Verdeutlichung der Handlung.
Der Film kommuniziert auch viele Inhalte allein durch die Regie und visuelle Gestaltung die der Zuschauer zu Gesicht bekommt. Ein sehr schönes Beispiel ist die Einführung der Handtasche in den Film. Dies geschieht nicht durch eine verbale Kommentierung, sondern allein dadurch dass sich die mis-en-scène in Montage auflöst (danke an die Herren Kessler und Zion für diese schöne Formulierung). Vereinfacht also, dass die Handtasche in der Bildgestaltung in den Vordergrund gerückt wird, und durch die anschliessende Schnittfolge auf die Gesichter der Charaktere ihre Bedeutung zugewiesen bekommt. Grandios realisiert! Zugegeben, die tolle Inszenierung überspielt so manches Plothole, zeigt jedoch das große Talent von Bava.
Blutige SeideBlutige SeideBlutige Seide
Als Vorläufer des Giallo gilt allgemein Psycho. Doch der eigentliche Begründer dieses Genres war dann "Blutige Seide", der Ideen des Vorgängerfilmes "The Girl who knew too much" (La Ragazza che sapeva troppo), ebenfalls von Bava, weiterentwickelte. Der Film war dann auch ein Wegbereiter für die nachfolgende Gialli, deren berühmtester Regisseur wohl Dario Argento ist. Doch auch auf das modernere Kino übte der Film einen großen Einfluss aus: "Fantom Killer" "borgte" sich gleich das ganze Kostüm des Killers, SAW wäre ohne diese Filme in der Form nicht denkbar (man denke allein an die schwarzen Handschuhe und visuelle Darstellung des "Geiselnehmers") und auch viele der späteren Edgar Wallace Filme sind in ihrer italienischen Originalfassung waschechte Gialli: "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" (L'Uccello dalle piume di cristallo) von Dario Argento oder auch "Das Geheimnis der grünen Stecknadel" (Cosa avete fatto a Solange?) von Massimo Dallamano.

Spätere Gialli übten auch einen internationalen Einfluß aus und führten zur Entwicklung neuer Subgenres. "Torso" (I Corpi presentano tracce di violenza carnale) von Sergio Martino wurde 1973 gedreht und gilt zusammen mit Mario Bavas
"Im Blutrausch des Satans" (Reazione a catena) von 1971 als Vorläufer von Cunninghams "Friday 13th" und somit dem US-Slasherfilms.
"Blutige Seide" selbst wurde 1987 unter dem Titel "Das unheimliche Auge" (Le Foto di Goia) neu verfilmt unter der Regie von Lamberto Bava - Mario Bavas Sohn.

Die deutsche DVD gibt es in verschiedenen Versionen. Die absolute Veröffentlichung ist Anolis und dem geheimnisvollen Filmclub Buio Omega in der Hände Weg Edition. Die DVD ist mit reichlich Extras, darunter einem sehr sehr empfehlenswerten Audiokommentar in einem wunderschönen Samtschuber verpackt und auf 1000 Exemplare limitiert. Deshalb ist die DVD auch nicht mehr zu bekommen und geht bei ebay und amazon für bis zu 130€ weg. Es gibt jedoch auch eine abgespeckte Version bei amazon für wenig Geld zu beziehen, die sich ein jeder in die Sammlung stellen sollte.

Eine Rezension von David Kugler
(16. April 2007)
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Daten zum Film
Blutige Seide Italien, Deutschland 1964
(Sei donne per l'assassino)
Regie Mario Bava Drehbuch Marcello Fondato
Produktion Top Film
Darsteller Cameron Mitchell, Eva Bartok, Thomas Krüger, Lea Krüger
Länge 85:23 FSK 16
Filmmusik Carlo Rustichelli
Kommentare zu dieser Kritik
Bastian TEAM sagte am 20.04.2007 um 00:22 Uhr

Danke sehr für den kleinen Giallo-Exkurs. War sehr interessant!
Zombie-mower TEAM sagte am 20.04.2007 um 18:42 Uhr

diese sehr ambitionierte Kritik hat mir sehr weitergeholfen.
Vielen Dank!!!
Zombie-mower TEAM sagte am 20.04.2007 um 18:44 Uhr

Nachdem ich Dario Argentos Werke so klasse finde werde ich mir den Film - diesen Wegbereiter des Genres - auf jeden Fall ansehen!

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