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Saila

Saila

Ein Film von Julia Ostertag

SAILA ist nach einer Reihe experimenteller Kurzfilme und der queeren Dokumentation GENDER X, die es auf der Berlinale zu einem Achtungserfolg gebracht hat, der erste Feature Film von Underground-Regisseurin Julia Ostertag, die den Film beinahe in Personalunion stemmte. Kamera, Schnitt, Drehbuch und Produktion - die feministische Filmemacherin steht hundertprozentig hinter ihren Projekten. Obgleich es sich um einen Spielfilm handelt und sich eine rudimentäre Erzählung ausmachen lässt in dem digitalen Bildersturm, sollte man keinesfalls eine stringente oder gar temporeiche Narration hoffen. Stattdessen dringen anarchistisch motivierte Subkulturen in den Vordergrund und vor allem ihr wahr gewordener Traum vom Umsturz.

Grob umrissen (und anders kann zumindest ich mich nicht zum Inhalt äußern) geht es um die titelgebende Saila, die in einer größtenteils entvölkerten industriellen Ödlandschaft lebt und sich auf eine denkbar bizarre Selbstfindung begibt, in der so manche Schmerzgrenze überwunden werden muss. Mit einigen wenigen Federstrichen gelingt es dem Film, die eindrucksvoll tristen Berliner Kulissen in ein trostloses Endzeit-Setting zu verwandeln - die Bilder der weitreichenden Apokalypse werden ausgespart und mitgeteilt über Meldungen in den Medien (Oder besser gesagt, was von den Medien noch geblieben ist). Jene Bilder sind so präsent im Kopf des Zuschauers, der in der Populärkultur mit Endzeitvisionen zugeschmissen wird, das ein simples Antippen
bereits genügt um die Fantasie entsprechend zu beflügeln.

Politische und soziale Hintergründe bleiben im Dunkeln, der meditativ anmutende Film interessiert sich für den Mythos, das Transzendentale und andere wenig greifbare Dinge. Trotzdem bleibt er auch ein Stück weit Gegenkultur: nicht nur als radikale Abkehr von Mainstream-Konventionen, auch die zahlreichen offensichtlich szenekundigen Punk- und Gothic-Gestalten untermauern diesen Eindruck. Das diese aus ihrem subkulturellen Selbstverständnis heraus ohnehin ein (überspitzt formuliert) abgeschlossenes Dasein führen in einer Welt, von der sie sich bewusst abgrenzen, macht ihre Situierung am Ende dieses verhassten Systems umso interessanter. Dementsprechend lethargisch geben sich die Figuren dann auch, die das Ende der zivilisierten Welt entweder ungerührt hinnehmen oder sich aber daran erfreuen. Der Anarchist bleibt, wenn auch nicht uneingeschränkt, der Gewinner, sieht er sich doch einem ersehnten Zusammenbruch und Chaos gegenüber, das einen wie auch immer gearteten "alternativen" Lebensstil zum nunmehr einzig möglichen erklärt.

Ästhetisch weckt "Saila" Erinnerungen an das subversive Cinema of Transgression und damit vor allem an die rohe Urgewalt eines Richard Kern (FINGERED) bis hin zum postapokalyptischen Experimentalkino eines Karim Hussein (SUBCONSCIOUS CRUELTY und in diesem Vergleich besonders hervor zu heben: ASCENSION). Ostertags Film ist mindestens genauso punkig, verschroben, eigensinnig und stilsicher inszeniert wie diese Beispiele - die nur bedingt treffend sind und lediglich eine grobe Einordnung ermöglichen sollen -, verliert sich aber doch auch oft in den fraglos durchdachten Bildkompositionen. Mit knapp 95 Minuten ist die Laufzeit deutlich zu lang ausgefallen, was einige Passagen durchaus quälend gestaltet. Letzteres gilt natürlich nur für jene Menschen, die nicht in der Lage sind, sich in der traumverlorenen Filmwelt, die "Saila" wie gesagt gekonnt kreiert, zu verlieren.

So spürbar die Isolation und soziale Verkrüppelung der Menschen geraten ist, so zähflüssig entwickelt sich der Film - und damit ist keineswegs der Plot gemeint, dessen einzelne Stationen hübsch auseinander zu dividieren sind und sich partiell nur schwer zu einem wirklich dichten Filmerlebnis zusammenfügen wollen. Wirklich langweilig wird es selbst in den redundanten Szenen kaum mal, dafür ist die bestechende Visualität einfach zu flirrend und herausfordernd. Allerdings gibt SAILA auch kaum mal Gelegenheit zu entspannen, das Ganze aufzudröseln oder als unvorbereiteter Zuschauer einen Halt zu finden. Und das obwohl immer wieder Ruhephsen vorhanden sind, was vielleicht leicht paradox klingen mag und zudem auch meinen nicht gerade einwandfreien Zugang offen legt. Tatsächlich hat es drei Anläufe erfordert, bis ich den Film konzentriert und am Stück verfolgen konnte - denn so ausgefeilt und überlegt einzelne Sequenzen erscheinen, umso schwerer fällt es der Regisseurin, eine Kohärenz aufrechtzuerhalten.

Zwischen hochgradig professionell aussehenden Passagen, die vor allem in ihren düsterromantischen Passagen an melancholische Musikvideos feinsten Schliffs gemahnen, und einigen (glücklicherweise wenigen) anderen, eher misslungenen Momenten, die dagegen wie ein uninspiriertes Homevideo wirken und dem Gesamtwerk so einen fragilen Anstrich verleihen. Der in diesem Fall vielleicht bewusst so erzeugt wird. Nichtsdestotrotz stellt sich SAILA als nur schwer verdaulicher Brocken heraus, dessen sublime Provokationen ich hier nicht konkret ansprechen werde. Genauso wie der Handlungsverlauf hier im Dunkeln bleiben soll (denn die Eigentümlichkeit der Erzählung kann durch nur wenige Spoiler zerschossen werden), will ich Ostertags Film nicht als kontroversen Aufreger präsentieren. Nicht etwa weil SAILA keinem auf den Schlips treten würde sondern weil es für Underground-Verhältnisse bedächtig zugeht und die entsprechenden

Jetzt habe ich so viel gefaselt und prinzipiell nichts zum Film gesagt, nicht einmal sauber drum herum geredet. Der spezielle Reiz des Films ist nicht leicht in Worte zu kleiden. Für Freunde unangepasst-radikaler Filmkunst durchaus eine Empfehlung wert - wer aber nicht viel mit non-narrativem Kino anfangen kann, der wird auch durch SAILA keine Bekehrung erleben. Zurück bleiben viele Eindrücke, keine Erkenntnis. Muss aber auch nicht immer sein.

Anmerkung: Eine DVD zum Film ist über die Homepage zu beziehen.

Eine Rezension von Marco Siedelmann
(10. Juni 2010)
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Daten zum Film
Saila Deutschland 2008
(Saila)
Regie Julia Ostertag Drehbuch Julia Ostertag
Produktion Julia Ostertag Kamera Julia Ostertag
Darsteller Kathryn Fischer, Juan de Chamié, Nicolas Isner, Sandro Piras
Länge 95 Minuten FSK keine Angabe
http://www.saila-film.de/
Filmmusik Jarboe
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