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Todeszug nach Yuma

Todeszug nach Yuma

Ein Film von James Mangold

„Where's the 3:10 to Yuma?“
„Running late, I suppose.“
„Goddamn trains. Never can rely on 'em, huh?“



Schon oft hat die Uhr in den zurückliegenden Jahrzehnten 12 Uhr geschlagen. Verirrte Steppenläufer wurden mehrfach zu stummen Zeugen des sich bald anbahnenden Showdowns zweier Duellanten zur Mittagszeit, ausgetragen zwischen verlassen wirkenden Holzhütten-Saloons, während Leben und Tod versuchten, sich gegenseitig auszuspielen – am Ende besiegelte doch die Schnelligkeit des Einen das Schicksal des Anderen. Zurück blieben neben leeren Patronenhülsen meist auch Spuren im Sand. Vergängliche Zeugnisse des sich hier zugetragenen Ereignisses, die schon recht bald dem gnadenlosen Wind anheim fielen und weggefegt wurden, als wollte er verhindern, dass sich irgendjemand erinnert. Es ging eben rüde und rau zu im berühmten Wilden Westen, wie der geneigte Filmfreund anhand von etlichen Westernklassikern erfahren durfte. Doch auch durch unsere heutige Filmlandschaft weht zuweilen ein starker Wind.


Was nämlich dem Cowboy im Western sein Kontrahent, ist dem einen oder anderen Genre im Allgemeinen die Zeit: ein nicht zu unterschätzender Gegner, der schneller in Erscheinung treten kann, als einem lieb ist. Von heute auf morgen beendet er, was gefühlt erst vor kurzem begonnen hatte, und fegt auch noch den kleinsten Krümel von der Bildflä
che, wie vormals feine Spuren im Sand. Bestenfalls überlebt die Erinnerung. Der Western ist der hierbei vielleicht berühmteste Betroffene, kämpft er doch schon seit nunmehr fast vier Jahrzehnten gegen die drohende Verwehung und das Vergessen an. Aber die Blütezeit des Genres, das in dem sogenannten Italo-Western sogar eine Weiterentwicklung erfuhr, scheint spätestens seit den 70er Jahren vorbei, auch wenn es sich bis heute beharrlich weigert, in die ewigen Jagdgründe einzugehen. Seit Clint Eastwoods preisgekröntem Meisterwerk „Erbarmungslos“ [1994] reihte sich mit Kevin Costners „Open Range – Weites Land“ [2003] und dem melancholischen „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ [2007] gar ein solider Abgesang an den nächsten. Eine späte Wiedergeburt blieb dem Heldenmythen hervorbringenden Genre trotz zugebilligter Lobeshymnen jedoch stets verwehrt.


Auch James Mangold („Walk the Line“ [2005]) konnte an diesem Umstand mit seinem hierzulande reißerisch betitelten „TODESZUG NACH YUMA“ (im Original „3:10 to Yuma“) nichts verändern, ganz gleich, wie stark der Spät-Western, der sich als Remake des Glenn Ford-Klassikers „Zähl bis drei und bete“ von 1957 versteht, im Endeffekt auch sein mag. Nichtsdestotrotz gelang dem vielseitigen Regisseur ein bemerkenswertes Filmerlebnis, das nur vordergründig vom altbekannten Kampf des Guten gegen das Böse berichtet. Die Wirklichkeit ist nämlich eine ganz andere und die Grenzziehung weitaus defiziler, als man meint.


Der Landwirt und Kriegsveteran Dan Evans (Christian Bale) sieht sich mit einer schier aussichtslosen Lage konfrontiert. Ernteeinbußen und ein hoher Berg an Schulden lassen den drohenden Verlust seiner Farm immer näher rücken, und zu allem Überfluss glaubt er zu spüren, dass sich seine Familie – allen voran sein ältester Sohn William (Logan Lerman) – aufgrund der Schwierigkeiten immer mehr von ihm entfernt. Als der berühmt-berüchtigte gesetzlose Räuber und Mörder Ben Wade (Russell Crowe) in Bisbee festgenommen wird, keimt jedoch wieder etwas Hoffnung in Dan. Da die Rache von Bens grausamer Bande befürchtet wird, sehen sich die Verantwortlichen nämlich außerstande, den Kriminellen längerfristig in der Stadt zu behalten. Kurzerhand erklärt sich der rechtschaffene Landwirt bereit, Ben Wade mit einer kleinen Gruppe zur Bahnstation nach Contention zu bringen, von wo er mit dem Zug zum Bundesgerichtshof in Yuma gebracht werden soll. Als Gegenleistung winken stattliche 200 Dollar, die fürs Erste helfen würden, die Farm zu retten. Außerdem meint Dan auf diesem Weg seiner Familie endlich beweisen zu können, dass er nicht der jämmerliche Versager ist, für den er von ihr womöglich gehalten wird. Doch was so einfach in der Planung klingt, erweist sich in der Ausführung schon bald als regelrechte Odyssee. Denn Ben Wades todbringende Bande um den psychopatischen Charlie Prince (Ben Foster) hat sich schon längst an die Fersen der kleinen Gruppe geheftet, um ihren Boss zu befreien. Und sie ist mehr als nur bereit, dafür über Leichen zu gehen…


Gut und Böse – in den meisten Fällen ist der Western ganz klar auf diese Zweiteilung ausgerichtet. Dazwischen gibt es – abgesehen von endloser Steppe – zuweilen nichts. Auch Mangold scheint seinen Spät-Western genau nach diesem ungeschriebenen Credo inszeniert zu haben. Da wäre zum einen der stark in seiner eigenen Wertvorstellung verhaftete Dan Evans, der zeit seines Lebens nach dem ihm zustehenden Platz in dieser grausamen Welt gesucht hat. Gebrandmarkt aus dem Krieg zurückgekehrt, hat er es schwer, wieder in ein geregeltes Leben hineinzufinden, denn Gegner, ob menschlich oder rein finanzieller Natur, lauern überall und lassen sich nur schwerlich besiegen. Christian Bale („American Psycho“ [2000]) spielt diesen vorwiegend von seinen eigenen, inneren Dämonen Geplagten mit zwar durchgehend stoischer Miene, verleiht der im Grunde einfach angelegten Rolle aber gerade hierdurch ein Profil, das sich bewusst nachhaltig einprägt. Weder übertrieben noch zu zurückgenommen, so präsentiert sich Bales Gutmensch, der einen späten Sinn in seinem bisherigen Dasein aufflackern sieht, als in der Gestalt des Räubers Ben Wade der Konterpart in die Waagschale des Lebens geworfen wird.


Denn Ben Wade ist Gesetzloser, Räuber und Mörder, das dreifach Böse in Person. Ein Mensch ohne Skrupel, der erst schießt und dann Fragen stellt und sich damit schon automatisch für die Rolle des Gegenspielers qualifiziert. Aber derart einfach macht es uns Mangold dann doch nicht. Nach und nach lässt er nämlich den Kern der Geschichte vom stereotypen Gut-gegen-Böse-Muster wegwandern, um seinen actionreichen Western zwischenzeitlich gar vollends im Genre des Psycho-Dramas zu verorten. Nicht die beiden gegensätzlichen Komponenten, sondern die Grauschattierung dazwischen, der so schwer zu fassende Mittelweg zwischen Gut und Böse, steht plötzlich mehr als deutlich im Fokus des Geschehens. Kameramann Phedon Papamichael („Knight and Day“ [2010]) spendiert dem Auge des Betrachters dazu passend nicht etwa weit ausladende Panoramen oder gar endlose Steppe mit vor Hitze flimmerndem Boden – er hält vielmehr dicht auf die handelnden Charaktere und legt damit jede Gefühlsregung, jedes noch so kleine Zucken offen. Nicht ohne Folgen: Russell Crowe (zuletzt im Kino als „Robin Hood“ [2010] zu sehen) gelingt beinahe mühelos das elegante Kunststück, seinem allzu offensichtlich bösen Part eine individuelle, um nicht zu sagen: charismatische Note zu verleihen. Und plötzlich scheint die Beantwortung der Frage, was nun genau gut und was böse ist, in weite, weite Ferne gerückt. James Mangold zitiert somit auf der einen Seite ein altbekanntes Genre, um es auf der anderen mit essentiellen Gedanken und modernerer Sichtweise „aufzufrischen“.


Wirklich böse ist in „TODESZUG NACH YUMA“ bis zum etwas konstruiert wirkenden, nichtsdestotrotz in seiner Grundaussage stimmigen Ende eigentlich nur einer: Charlie Prince, dargestellt von einem grandiosen Ben Foster („Alpha Dog“ [2006]). Prince ist psychopatisch, mächtig verrückt in seinem Auftreten und einzig darauf bedacht, den Gefangenentransport möglichst blutig zu unterbinden. Mordlust in ihrer schlimmsten Form. Hieraus resultiert ein knapp halbstündiger Schusswechsel, der vorübergehend wieder dem klassischen Western huldigt. Mit einem Mal zählt nur noch das nackte Überleben. Treffen und getroffen werden. Mindestens ebenso treffsicher erweist sich zu diesem Zeitpunkt auch der im Anschluss für seinen Score oscarnominierte Komponist Marco Beltrami („Jonah Hex” [2010]), der sich vor allem am Ende angenehm zurücknimmt und in der wohl bedeutendsten Szene des gesamten Films einfach und allein den Todeszug „sprechen“ lässt. Man muss es gesehen haben, um die Macht und Intensität des Tons im direkten Zusammenspiel mit dem Geschehen in diesem Augenblick zu begreifen. Kino in Reinkultur.


„TODESZUG NACH YUMA“ ist schlicht und ergreifend ein beachtlich inszenierter Spät-Western, dem nur zu wünschen ist, dass man seine Spuren noch etwas länger wahrnehmen kann. Denn wenn sie auch nicht zur erhofften Renaissance eines fast schon totgeglaubten Genres führen, so doch zumindest zu einem Genrebeitrag, der als intensives, charakterorientiertes und spannendes Filmerlebnis – abgesehen von einigen verzeihbaren Längen – ganz wunderbar funktioniert.



Eine Rezension von Stefan Rackow
(13. August 2010)
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Daten zum Film
Todeszug nach Yuma USA 2007
(3:10 to Yuma)
Regie James Mangold Drehbuch Halsted Welles, Michael Brandt & Derek Haas
Produktion Lionsgate / Tree Line Films / Relativity Media / Yuma Kamera Phedon Papamichael
Darsteller Christian Bale, Russell Crowe, Logan Lerman, Peter Fonda, Ben Foster, Dallas Roberts, Luce Rains, Gretchen Mol, Kevin Durand, Lennie Loftin, Alan Tudyk
Länge 117 Minuten FSK ab 16 Jahren
http://www.310toyumathefilm.com/
Filmmusik Marco Beltrami
Kurioses Ursprünglich sollten Tom Cruise (Ben Wade) und Eric Bana (Dan Evans) die Hauptrollen übernehmen, mussten aber aus terminlichen Gründen abspringen.
Kommentare zu dieser Kritik
travisbickle TEAM sagte am 14.08.2010 um 12:09 Uhr

Ein großartiger Western! Unbedingt anschauen: Am Sonntag, um 22:40 Uhr auf PRO 7

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