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Die Gebrüder Weihnachtsmann

Die Gebrüder Weihnachtsmann

Ein Film von David Dobkin

(Kinostart: 29. 11.)


Es wäre sinnlos, und darüber hinaus auch etwas unoriginell, sich über den verlogenen Heile-Welt-Kitsch zu echauffieren, der mit periodisch wiederkehrender Penetranz die Leinwände zur Weihnachtszeit voll macht. Sinnlos, weil es solche Filme anscheinend geben muss wie Grippe, Gravitation und Johannes Heesters 200. Geburtstag. Sie lenken die Menschen zum Ende des Jahres von all dem ab, was das Leben schwer macht. Unoriginell, weil es ein all zu gern gepflegtes Ritual für moralinsaure Gutmenschen zu sein scheint. Aber, und damit ist ein großes ‚aber’ gemeint: für Fatalismus sollte hier kein Platz sein. Außerdem macht es Spaß, sich just über die Dinge aufzuregen, an denen man nichts ändern kann. Das ist eine Art Ersatzhandlung, die den psychologischen Haushalt in Ordnung hält, Katharsis im Gewand distinktiver Kulturkritik. Also, gönnen wir uns das Vergnügen und stürzen uns ins Getümmel.

Wir notieren: Paul Giamatti (Sideways) spielt den Weihnachtsmann, Frat Pack-Spezi Vince Vaughn seinen übellaunigen, unbekannten Bruder Fred. Schon als Kinder waren sich die beiden nicht allzu grün. Egal was der kleine Fred machte, sein Bruder Santa war einfach der herzensgute und utilitaristischere von beiden. Im Kampf um die Liebe seiner Eltern zieht Fred immer den Kürzeren. (Kathy Bates spielt Mutter Weihnachtsmann, leider hat man ihrer Rolle nicht die Präsenz zukommen lassen, die Mrs. Bates würdig gewesen
wäre.) Also schaltet er eines Tages das Großer-böser-Bruder-Programm ein.

So geht das dann bis ins hohe Erwachsenenalter. Santa wird der Weihnachtsmann, den alle Menschen auf der Welt lieben. (Der Film geht recht großzügig mit der Historie um.) Fred hingegen macht das Gegenteil und wird Pfandleiher. Und beide würden vermutlich ein Leben lang aneinander vorbei existieren und sich nicht mal zum Geburtstag Glückwunschkarten schicken, wenn Fred nicht in akuten Finanzproblemen stecken würde. Also bietet Santa, großzügig und gutherzig wie es sein Naturell ist, Fred einen Job am Nordpol an. Da, wo der Weihnachtsmann wohnt und einer geregelten Arbeit nachgeht.

Die Gebrüder WeihnachtsmannDie Gebrüder WeihnachtsmannDie Gebrüder Weihnachtsmann
Dabei handelt es sich nicht einfach nur um eine Werkstatt, so wie es schon seit langer Zeit in Zeichentrickfilmen und ähnlichen Erzählwelten dargestellt wird. Nein, eine ganze Stadt ist es, die sich um die riesige Fabrik herum gebildet hat. In der Fabrik arbeitet ein Heer aus Elfen an der Erfüllung der Arbeitsnorm. Und die lautet, dass am 25. Dezember alle Produkte an den Endverbraucher ausgeliefert sein müssen. Ein modernes, technisch hochgerüstetes Unternehmen mit fleißigen, motivierten Angestellten und einer stilvollen, überdimensionalen Weltbeherrscher-Weltkarte, bekannt aus mindestens zehn James Bond-Filmen. Nach getaner Arbeit gehen die Arbeiter nach Hause, und urbane Strukturen bilden sich eben direkt dort, wo die Arbeit ist. Also alles ein bisschen wie bei VW und Wolfsburg, nur im Schnee. Es gibt auch eine Werkskneipe, wo die Stones in der Juke Box laufen („I´ll never be your beast of burden…“).

Natürlich verläuft die Zusammenarbeit der beiden Brüder eher suboptimal. Fred soll die „Artig-unartig-Liste“ führen, nach der die Kunden evaluiert und dementsprechend beliefert werden. (Will heißen: unartige Blagen bekommen nix.) Dann kommt Kevin Spacey, mit dem definitiv besten Part des ganzen Films. Er spielt einen Rationalisierungsexperten, der das Weihnachtsmannunternehmen outsorcen soll. Wenn nicht alle Produktivitätskriterien erfüllt sind, dann droht Werksschließung und Auslagerung an den Südpol.

Das ist doch der Knaller! Der globalisierte Turboraubtierkapitalismus will uns Weihnachten stehlen! Kevin Spacey - der sich für diese Rolle überhaupt nicht wesentlich zu verstellen braucht, es reicht, wenn er einfach in der Gegend herumsteht, eine Brille trägt und furchtbar ernst guckt - ist der wirklich Furcht erregende Grinch, der sich nicht tölpelhaft durch Schornsteine zwängt, um Geschenke zu klauen. Stattdessen haut er dem armen Weihnachtsmann Kalkulationstabellen und Power Point-Grafiken um die Ohren. „Früher haben sich Kinder durchschnittlich 2,3 Geschenke pro Weihnachten gewünscht. Und dabei handelte es sich häufig um Dinge wie Gesundheit für die Familie oder Frieden auf Erden.“ Antwort Santa: „Und versuchen Sie das mal durch einen Schornstein zu zwängen.“ Fiktive Gruselwesen sind ein Dreck gegen kalte, herzlose Ökonomie.

Das ist nun ein drolliger Gag in einem Film, der in seiner Mittelmäßigkeit schwer beschreibbar ist. Eine Autopilotgeschichte, die schnurgerade auf ein Happy End zusteuert und dabei wirklich alle Topoi mitnimmt, die nicht fehlen dürfen. Vince Vaughn spielt am Anfang den grimmigen Rationalisten, einen Weihnachtshasser, der zu jeder sich bietenden Gelegenheit jeglicher Weihnachtsromantik den Krieg erklärt und seine Umwelt mit Bekehrungslitaneien traktiert. Er ist, natürlich, mit einem kleinen schwarzen Jungen befreundet, dem er sämtliche Kinderflausen über Liebe und Vertrauen auszutreiben versucht. Er hat, natürlich, eine Freundin, die er nach Strich und Faden vernachlässigt und die ihn schon fast so gut wie verlassen hat. Der Zuschauer sieht einen Charakter, der nur darauf wartet, geläutert zu werden. Paul Giamatti muss den lustigen Dicken im roten Mantel geben. Diese Rolle passt zwar durchaus zu seinem humorigen Habitus, aber dennoch glaubt man, dass seine Präsenz mehr aus finanziellen Motiven heraus erklärbar ist.

Die Gebrüder WeihnachtsmannDie Gebrüder WeihnachtsmannDie Gebrüder Weihnachtsmann
Auch ist Fred Claus (Die Gebrüder Weihnachtsmann) mitnichten als Kritik an aktuellen sozialwirtschaftlichen Strukturen zu verstehen, auch wenn hier der Feind ein Arbeitsplatz vernichtendes Krawattenmonster aus der Welt von McKinsey zu sein scheint. Nein, dieser Film verlässt das Feld der betriebswirtschaftlichen Logik nicht eine Sekunde lang. Im Gegenteil. Wenn sich zum Finale Vince Vaughn das Nikolausoutfit anzieht, um Weihnachten zu retten und alle Geschenke rechtzeitig auszuliefern, dann hat er die Effizienz- und Produktivitätskriterien voll erfüllt, die jedes Unternehmen braucht.

Ich habe vielmehr das Gefühl, dass hier vor allem unseren kleinen Zuschauern die große Welt jenes Systems näher bringen soll, welches seit über fünfzehn Jahren als historischer Sieger ausgewiesen wird. Allerdings ohne dabei gänzlich auf den gutmenschlichen Bindekitt verzichten zu wollen, der den Menschen glauben machen soll, wir lebten in einer moralisch wohl geordneten Welt. Natürlich ist Fred Claus angefüllt mit programmatischer Gefühlsduseligkeit. Aber ironischer Weise legt er selbst in den emotionalisierenden Momenten die ideologischen Karten auf den Tisch. Zum Beispiel, wenn sich zum Schluss alle Elfen nach getaner Akkordarbeit um eine große Kristallkugel versammeln, um sich dort die Freude der Menschen auf aller Welt über die Bescherung anzusehen. Die leuchtenden Kinderaugen, die liebenden Eltern. Und die Weihnachtsgeschenke; keine Symbole des Materialismus, sondern ein Ausdruck von wahrer Liebe und Wertschätzung sollen sie sein. Wer für einen Augenblick lang die ohrenbetäubend elegische Version von ‚Silent Night’ überhört, der wird bemerken, wo und von wem überall Geschenkpapier abgerissen wird. Ausschließlich in großen Wohnzimmern, fast ausschließlich bei weißen Familien. Nur einmal hat man etwas pflichtschuldig Asiaten an diese Montage drangehängt (deren Wohnzimmer aber genau so groß ist). Und die schwarze Familie von Vince Vaughns kleinem Kumpel kommt natürlich dazu, aber das war es auch schon. Liebe, hier in ihrer symbolischen Form, muss man sich schon leisten können. Keine Spur von einer Spur von sozialer Realität stört die Idylle. Weihnachten als ultimative Botschaft von Liebe und Frieden auf der Welt, wie schön und wie falsch zu gleich das doch ist. Möge jeder selbst entscheiden, wie er mit solchen Widersprüchen das Fest feiern werde. Ich hoffe für jeden, der dies hier liest, dass es schön und glücklich sein wird. Das Glück, das Fred Claus im Sinn hat, ist leider selten in der Welt.

Streng limitiert, sozusagen.



Ach ja, eine Szene gibt es, die wirklich für kurzweiliges, wahres Verzücken sorgt. Vince Vaughn sitzt in einer Selbsthilfegruppe von Männern, die von ihren kleinen Brüdern übertrumpft wurden. Es sprechen Frank Stallone und Roger Clinton, dessen Bruder für lange Zeit ein ovales Office bewohnte. Stephen Baldwin möchte Vince an den Kragen, da interveniert der Sitzungsleiter: „Stephen! Atme ganz ruhig und tief, komm runter, und sag dir immer wieder: Das ist nicht Alec! Das ist nicht Alec!“

Eine Rezension von Gordon Gernand
(30. November 2007)
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Daten zum Film
Die Gebrüder Weihnachtsmann USA 2007
(Fred Claus)
Regie David Dobkin Drehbuch Dan Fogelman
Produktion Warner Bros., Silver Pictures, David Dobkin Productions, Jessie Nelson Productions Kamera Remi Adefarasin
Darsteller Vince Vaughn, Paul Giamatti, Kevin Spacey, Rachel Weisz, Elizabeth Banks, Miranda Richardson
Länge 115 Min. FSK ohne
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