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The Bird with the crystal Plumage

The Bird with the crystal Plumage

Ein Film von Dario Argento

Der in Italien Urlaub machende amerikanische Schriftsteller Sam Dalmas (Tony Musante) wird eines Nachts Zeuge eines versuchten Mordes. Er rettet die verletzte Kunstgalleriebesitzerin Monica Ranieri (Eva Renzi), die von einer schwarz gekleideten Person mit einem Messer attackiert wurde. Er kann die Polizei von seiner Unschuld überzeugen und ermittelt auf eigene Faust weiter in dem Fall, da Rom von einer Mordserie erschüttert wird - Ranieri wäre das vierte Opfer gewesen. Sam kommt der Lösung des Rätsels immer näher, muss jedoch auch um sein eigenes Leben fürchten. Und er wird das Gefühl nicht los, etwas übersehen zu haben...

"The Bird with the crystal Plumage" (im folgenden mit Bird abgekürzt) ist ein typischer Vertreter des italienischen Giallokinos. Doch nicht nur das, er führte die von "Blutige Seide" vorgegebenen Motive fort, reicherte sie jedoch mit zusätlicher Gewalt an, die in "Blutige Seide" noch nicht in dieser expliziten Form vorhanden war. Den Begriff des Giallo setze ich als bekannt voraus und werde ihn nicht mehr erklären. Der geneigte Leser, der nicht weiß was gemeint ist, kann dies in der Kritik zu "Blutige Seide nachlesen.
Bedenkt man, dass Bird das Erstlingswerk eines jungen Regisseures ist, ist die handwerkliche Kompetenz durchaus beeindruckend. Argento hatte keine Erfahrung in Regieführung und schaffte es trotzdem, einen unglaublich spannenden Giallo abzuliefern. Gerade in den Spannungssequenzen überzeugt Bird auf ganzer Linie. Die einzelnen Morde sind lange ausgewälzt und kommen sehr brutal beim Zuschauer an, ohne jedoch wirklich explizit bei Gewalteinwirkung auf den menschlichen Körper zu werden. Ausserdem gibt es Argento untypische Anflüge von Humor, z.B. dient der ganze Auftritt von Mario Adorf als exzentrischem Maler und Katzenbesitzer der humoristischen Auflockerung - eine Szene die ich wirklich lustig fand, jedoch für Argento eben sehr untypisch ist. Weiterhin untypisch im Vergleich zu seinen späteren Werken ist die Polizei und ihre Darstellung. Tatsächlich ermittelt sie sogar, auch wenn die Methoden stellenweise etwas futuristisch anmuten. Trotzdem muss man feststellen, dass sich zwischendurch auch mal ein bisschen Leerlauf einschleicht. Typisch Argento gibt es auch ein paar kleinere Logiklücken und Holprigkeiten im Drehbuch, die jedoch nicht störend ins Gewicht fallen. Untermalt wird das Geschehen vom hervorragenden Score von Ennio Morricone - für mich eine seiner besten und unterschätztesten Arbeiten.

Visuell ist der Film trotz seines mangelnden Budgets sehr ansprechend. Er erreicht natürlich noch nicht die Opulenz späterer Argentowerke, aber es zeigen sich durchaus schon vielversprechende Ansätze und sein ungeheures Talent scheint durch. Die typischen Treppenhausstudien sind natürlich ebenso vorhanden wie Einstellung aus der Ich-Perspektive der Opfer oder des Täters. Auch die Farbgestaltung ist teilweise schon leuchtend bunt und deutet an was man in Zukunft noch von dem Regisseur erwarten konnte. Ganz besonders hervorheben möchte ich noch eine Kamerafahrt. Kamerafahrten sind für Argento typisch, fast jeder Film enthält eine längere Fahrt, in der die Kamera einen lang, oft scheinbar unmöglichen Weg zurücklegt. Als Beispiele dienen die Fahrt in Tenebre (Kamera beginnt im Zimmer eines Hauses, fährt hinaus, über das Dach hinweg, auf der anderen Seite des Hauses wieder hinunter und endet am Erdgeschoss, wo sich der Mörder gerade am Fenster zu schaffen macht) und Opera (die Kamera fährt in spiralförmigen Bewegungen von der Decke eines Opernhauses hinunter und rast über die Köpfe der Zuschauer hinweg) - alles ohne Schnitt oder Computereffekte. In Bird gibt es eine wirklich sehenswerte Einstellung, in der eine Person aus dem Fenster eines Hauses einige Stockwerke bis auf die Strasse fällt. Die Kamera filmt dies aus der Ich-Perspektive und springt beim Aufprall sogar nochmal leicht in die Luft zurück. Unglaublich gemacht - und wer mir sagen kann, wie dies realisiert wurde, möge mir dies bitte in den Kommentaren mitteilen. Auch der Audiokommentar hat dort keine Lösung angeboten, es wurde nur über eine tatsächliche zerstörte Kamera (bei dem Budget unwahrscheinlich) oder über eine Art Bungeeseilkonstruktion spekuliert.

Dario Argento begann seine Karriere als Filmkritiker. Schliesslich wechselte er in das Drehbuchfach und schrieb unter anderem an Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" mit. Der an dem Drehbuch ebenfalls beteiligte Bernardo Bertolucci gab ihm den Roman "The Screaming Mimi" (der 1958 bereits verfilmt wurde) und Argento wandelte das Buch in ein Drehbuch um. Zuerst fanden sich für das Drehbuch keine Produzenten, doch Goffredo Lombardo nahm es an sich. Nachdem Argento jedoch bei jedem Regisseur sein Veto einlegte, schlug sein Produzent und Vater Salvatore Argento vor, er solle selbst Regie führen. Argento hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal Kurzfilme gedreht. Sie formten die Firma Seda Spettacoli Company (Seda steht für Salvatore e Dario Argento) und nachdem man lange brauchte, um das erforderliche Geld zu sammeln, begannen die Dreharbeiten. Nach einer Woche sah Lombardo das erste gefilmte Material und war sprachlos. Er bot Argento Geld, um diesen dazu zu bewegen, die Produktion zu verlassen und ein anderer Regisseur retten könne was noch zu retten sei. Doch Argentos Vertrag war wasserdicht und da es eh sein einziger Film bleiben sollte, drehte er weiter. Trotz aller Widrigkeiten, unter anderem zerstritt sich Dario mit Tony Musante, wurde der Film in Italien ein voller Erfolg und Argento als der italienische Hitchcock bezeichnet.
The Bird with the crystal PlumageThe Bird with the crystal PlumageThe Bird with the crystal Plumage
Bird entstand 1970 als italienische-deutsche Co-Produktion. Von deutscher Seite aus fungierte Artur Brauners Firma Central Cinema Company (CCC-Film) als Geldgeber. Als Konsequenz daraus wurde Mario Adorf als deutscher Star verpflichtet, der jedoch zur damaligen Zeit sehr oft im italienischen Kino zu sehen war. Der Film wurde dann von der CCC für die abebbende Edgar Wallace Reihe umgeschnitten und unter dem Titel "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" als Bryan Edgar Wallace Verfilmung in die Kinos gebracht. Allerdings waren die Produzenten durch die Gewaltdarstellung, die man so aus Wallace Filme nicht kannte, etwas vor den Kopf gestossen aber wagten aufgrund des finanziellen Erfolges in Italien die Kinoauswertung. Daraufhin folgte 1971 sogar "Die neunschwänzige Katze" ("The Cat o'nine Tails" / "Il Gatto a nove code") als weitere Bryan Edgar Wallace Verfilmung. Diese beiden Filmen bilden die ersten zwei Teile einer lose zusammenhängenden Tiertrilogie Argentos, die mit "Four Flies on grey Velvet" ("4 mosche di velluto grigio") abgeschlossen wurde. Der letzte Teil war allerdings keine deutsche Produktion mehr und auch kein Bryan Edgar Wallace Film.

Dementsprechend gibt es auch verschiedene Versionen auf DVD.
Die deutsche DVD unter dem Titel "Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe" ist gekürzt. Welche Fassung sich dort nun genau befindet, konnte ich jedoch nicht herausfinden. Wahrscheinlich ist es aber die deutsche Kinofassung, also die Wallace-Version.
Die Kritik basiert auf der ungekürzten US-DVD von Blue Underground unter dem Titel "The Bird with the crystal Plumage". In dem Pappschuber mit dem sehr edlen Covermotiv befindet sich ein Amaray mit 2 DVDs. DVD 1 enthält den Film auf englisch und italienisch, mehrere Trailer und TV Spots, sowie einen Audiokommentar von Alan Jones, dem Autor des sehr empfehlenswerten Buches "Profondo Argento". DVD 2 enthält mehrere Interviewblöcke mit verschiedenen Beteiligten. Die Bildqualität ist hervorragend, der Ton gut verständlich. Ingesamt eine tolle Veröffentlichung.

Fazit: Bird ist ein beeindruckendes Debüt eines jungen Regisseurs. Er erreicht zwar noch nicht die Klasse späterer Arbeiten, aber er ist auch für Menschen, die mit Argento oder dem Giallo Kino nicht vertraut sind, sehr zu empfehlen. Ab und an holpert es zwar noch ein bisschen, aber der Film unterhält sehr gut und weiß mit vielen starken Szenen einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Eine Rezension von David Kugler
(09. Mai 2007)
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Daten zum Film
The Bird with the crystal Plumage Italien, Deutschland 1970
(L'Uccello dalle piume di cristallo)
Regie Dario Argento Drehbuch Dario Argento
Produktion CCC
Darsteller Tony Musante, Suzy Kendall, Eva Renzi, Mario Adorf, Giuseppe Castellano
Länge 96 FSK unrated
Filmmusik Ennio Morricone
Kommentare zu dieser Kritik
Bastian TEAM sagte am 10.05.2007 um 12:07 Uhr

Sehr gut geschriebene und informative Kritik...nur wie komme ich jetzt einigermaßen preiswert an die ungekürzte DVD??
Damocles TEAM sagte am 10.05.2007 um 12:11 Uhr

Die DVD gibt es bspw. bei meinem Stammversand www.dvdpacific.com für ~8.47€. Link: http://www.dvdpacific.com/item.asp?ID=692922
Damocles TEAM sagte am 10.05.2007 um 12:56 Uhr

Achja, der Film kommt (zumindest die deutsche Fassung) am 12.5. im ZDF zur besten Sendezeit um 01:05 Uhr.
Zombie-mower TEAM sagte am 13.05.2007 um 23:35 Uhr

eine sehr aufschlussreiche, informative Rezension,
aber was genau empfandest du an dem Film unterhaltsam?

Argentos Filmen einen Unterhaltungsfaktor zuzusprechen fällt mir zugegebenermaßen schwer.
Durch die visuell-kameratechnische Exploration, die großartige Schnitt-Technik und die einmalige musikalische Untermalung ist Argento ein Regisseur der Sinne und verzückt mich immer wieder.
Aber eine Freude an seinen diversen Darstellung immer einfallsreichsreicherer Tötungsakte, die ja im Mittelpunkt aller seiner Filme stehen, kann bei mir nicht aufkommen.

Argento sieht Gewalt als ästhetisch und die Durchführung und in Szene setzen dieser macht ihm sichtlich Freude.
Diese Freude kann ich leider nicht teilen - wenn ich s könnte, müsste ich mich vielleicht um meinen psychischen Verstand sorgen machen.

Besonders der Realitätsgrad von Argentos Gewalt macht das Mit-Ansehen sehr schwer.
Bastian TEAM sagte am 14.05.2007 um 13:07 Uhr

Ich weiss nicht ob man einen Zuschauer als psychisch krank bezeichnen darf nur weil er einem gewalttätigen Film einen Unterhaltungswert zuspricht.
Schließlich gibt es brutale Geschichten schon seit hunderten von Jahren (man denke nur an Shakespeare) und schon da ist der Pöbel in den Rängen ausgerastet wenn die ersten Dolche geblitzt haben. Natürlich hat sich die Gesellschaft seitdem weiterentwickelt, aber ich denke, ich sage nichts Falsches wenn ich behaupte dass ein kleiner Voyeur in jedem von uns steckt. Das ist ein Teil der menschlichen Natur! Krank wäre es, sich als Schaulustiger an einem Unfall aufzugeilen.
Ein Film aber sollte an sich schon etwas dramatisches haben, und ich finde das trifft bei Argento auch ganz besonders zu...die Gewalt wirkt eben NICHT real sondern überzogen und theatralisch.
Ich finde es eher gefährlich wenn die Diskussion über Filmgewalt so weit führt dass man sich bald nur noch hochmoralische Gesellschaftsparabeln ansehen darf. Dann hat sich die Gesellschaft selbst das Hirn penetriert und wir leben wie die Teletubbies!
Winke, Winke!!!
Zombie-mower TEAM sagte am 14.05.2007 um 16:13 Uhr

ein Winke Winke auch von mir, Gloddi, ;-)

nun ja, theatralisch und überzogen trifft Argentos Gewaltdarstellung ganz gut.
Aber die Explizität und anatomische Genauigkeit jeden Schnittes des Messers, mit dem der schwarz behandschuhte Mörder dem Körper seiner meist weiblichen Opfer graumsamste Verstümmelung zufügt, sind doch ungewöhnlich penetrant in Szene gesetzt.
Mein erster Argento (Sleepless) hinterließ dementsprechende Narben in der Psyche.
Aber da mich solche sinnlich-herausfordernde und provozierende Filme schon seit der Kindheit anziehen, bilden sie für mich einen hohen Reiz. Aber ich sehe auch das Potential zur sadistischen und voyeristischen "Aufgeilheit" des Zuschauers an der Ästhetik des Schlitzens und Schlachtens bestehen.

Diese Reihenfolge in der Argento den Gewaltvorgang zeigt ist ganz schön pervers:
Mörder taucht auf, Opfer flieht, Mörder holt es ein, Nahaufnahme von einem Körperteil, auf den im nächsten Moment in den meisten Fällen ein Messer niedersaust und einen tiefen Schnitt (in ewig langer Zeitdauer) ausführt, Schnitt auf den veränderten Gesichtsausdruck des Opfers, das erfüllt ist mit Todesangst und Schmerzen,... und dem folgt die anschließende genaue Inszenierung des Tötungsaktes. Besonders diese Szenen scheinen (zumindest subjektiv) teilweise Minuten zu dauern und sind unvorstellbar verstörrend.

Es ist furchtbar und schön zugleich und das macht Argentos Filme so einmalig und gewaltig.
Wo die Amerikanische Filmindustrie seine Slasher Filme nur in Augenzwinker-Optik mit schnellen Schnitten Amputationen und Verstümmelungen (z.B. Halloween / Friday der 13. / Scream) über die Leinwand schnellen läßt, beschränkt sich Argento auf ganz wenige Schnitte und versucht die Kamera noch unmittelbarer an dem Geschehen zu beteiligen.

Es mag ein ästhetischer, optisch vielfältiger und akustisch einnehmender Augenblick des Films sein - aber andererseits ist es pervers und potentiell glorifizierend.
Mutig, virtuuos und unique - das ist Dario Argento allemal - für mich bleibt die moralische Aussage seiner Filme jedoch zu hinterfragen...
Florian TEAM sagte am 19.07.2007 um 21:19 Uhr

In Tarantinos neuem Regiewerk "Deathproof" wird "The Bird with the crystal Plumage" ausführlich zitiert. Mehr verrate ich jetzt nicht :-)
Bastian TEAM sagte am 04.02.2010 um 22:38 Uhr

Bei imdb gibt es eine Erklärung für die Umsetzung der "fallenden Kamera"-Szene:

SPOILER!

The POV shot used when Alberto Ranieri falls to his death was achieved by actually dropping a camera six stories onto a concrete sidewalk. The camera did indeed break, but the footage was saved.

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