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Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert

Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert

Ein Film von Damiano Damiani

Kommissar Bonavia drängt im örtlichen Irrenhaus auf die sofortige Freilassung des Ganoven Li Puma, der vor seiner Einweisung für den mächtigen Unternehmer Lomunno arbeitete. Zwei Tage später ist Li Puma frei und tot, umgekommen bei einer Schiesserei in Lomunnos Büro, bei der auch drei Leibwächter starben; Lomunno selbst war nicht anwesend. Staatsanwalt Traini nimmt die Ermittlungen auf, und findet sich in einem Sumpf aus Korruption und der Verwicklung von Mafia, Politik und Wirtschaft wieder. Doch ein ebenso großer Konflikt entsteht zwischen Traini und Bonavia – zwei Welten prallen aufeinander...

Wer nun, nach der Eingangsschiesserei in Lomunnos Büro einen waschechten Poliziesco mit viel Action und Geballer erwartet, sollte seine Erwartungen gleich wieder ändern. Regisseur Damiano Damiani verknüpfte ja fast immer seine Spielfilmhandlungen mit politischen, stark links orientierten Aussagen, so das „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ insgesamt sehr ruhiges, unaufgeregtes aber superbes Polit-Thriller-Kino ist. Getragen wird dieses Meisterwerk nicht nur von der Inszenierungskunst Damianis, sondern erst recht von den scharfen Dialogen und den beiden großartigen Hauptdarstellern: Martin Balsam als Bonavia, und Franco Nero als Staatsanwalt Traini. Beide liefern sich ein intellektuelles Duell erster Güte, ohne das sich der Fokus lange auf eine Person richtet. Beide Weltbilder werden fast gleichberechtigt zur Darstellung gebracht, so dass
sich „Der Clan...“ weite Strecken wie eine enorm spannende Dokumentation anschauen lässt.

Dabei interessiert sich Damiani nicht unbedingt für die exakten Verflechtungen der Mafia mit der Politik und der Wirtschaft. Viel mehr geht es ihm um die emotionale, menschliche Seite sowie den Taten des italienischen Rechtsstaates. Bezeichnend dafür sind die beiden Rechtsauffassungen von Bonavia und Traini, die in einer grandiosen Dialogszene aneinander geraten. Bonavia ist ein alternder, frustrierter Polizist, der Lomunno schon drei mal verhaftet hat, ihn jedoch immer wieder laufen lassen musste. Dabei spricht er selbst davon, dass Lomunno die Polizei lächerlich macht, und legt Traini und uns, dem Zuschauer, die Methoden der Mafia exemplarisch dar: über Geschäftsverbindungen kauft die Mafia günstige Grundstücke massenhaft auf, und lässt sie dank Beziehungen in die Politik von Steuergeldern mit Infrastruktur versorgen, damit sie zu einem ungleich höheren Preis verkauft werden können. Das man in den aufstrebenden Betonstrukturen gleich noch ungeliebte Feinde loswerden kann (auch wenn im Film niemand LEBENDIG eingemauert wird), gibt dem ganzen erst recht noch diese menschenverachtende Note. Dementsprechend frustriert ist Bonavia dann auch, als er Traini in einem Restaurant den Tisch der oberen Zehntausend zeigt, die alle mit der Mafia verbandelt sind. Dabei ist Bonavia anfangs eine väterliche Figur, allerdings ist durchaus verständlich, dass Traini ihn mit den Verbrechern auf eine Stufe stellt: streng genommen hält Bonavia als Politist gar nichts vom Rechtsstaat, sondern viel eher von seinem eigenen Gerechtigkeitssinn und einem Streben nach Selbstjustiz.
Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauertDer Clan, der seine Feinde lebendig einmauertDer Clan, der seine Feinde lebendig einmauert
Ganz im Gegensatz dazu Staatsanwalt Traini: Franco Nero gibt den Juristen als bedingungslosen Paragraphenreiter, der sich wortwörtlich an das Gesetz hält, wie es seiner Meinung nach jeder Ordnungshüter und Staatsbedienstete tun muss. Soweit so gut, doch als Bonavia ihm die Frage nach den Rechtmäßigkeiten von Gesetzen, der Gerechtigkeit und dem moralischen Widerspruch stellt, gerät Traini ins Schlingern und findet keine wahre Antwort. Wie gesagt wird dabei keiner der beiden Positionen der Vorzug gegeben, der Zuschauer soll selbst seine Richtung finden. Deutlich zeigt jedoch Damiani auf die oberen Zehntausend, die kriminellen Machenschaften der Mafia, die Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiterklasse sowie die Bestechlichkeit bis in die obersten Reihen des Rechtsstaates – was bis zu gegenseitiger Abhörung der Telefone führt. Somit ist „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ viel mehr als spannendes Unterhaltungskino, er ist ein politisch motivierter Exkurs über die Macht und Gerechtigkeit eines scheinbar demokratischen „Rechtsstaates“, wenn die gewählten Volksvertreter und die Wirtschaft über die eigene Verfolgung sowie die obersten rechtlichen Instanzen bestimmen können.

Interessanterweise zieht Damianis Film seine Spannung eben nicht aus klassischer Ermittlungsarbeit. Der Zuschauer verfolgt nicht sklavisch eine nominelle Hauptfigur, weder Traini noch Bonavia stehen im Zentrum der Erzählung. Man erfährt was die beiden unabhängig voneinander machen, auch bekommen wir Lomunnos zwischenzeitliche Taten präsentiert. Somit ist die Ermittlungsarbeit selbst nicht unbedingt spannend, da wir einen Wissensvorsprung haben. Der Film zieht seine fesselnde Kraft also aus den geschliffenen Dialogszenen, deren Höhepunkt im ausbrechenden Konflikt zwischen Traini und Bonavia ist, nachdem dieser dem Staatsanwalt seine Vergangenheit in einer langen Rückblende dargelegt hat. Dies führt auch dazu, die Motivation dieser Figur besser nachvollziehen zu können. Bonavia übernimmt auch zugleich die Rolle des erfahrenen alten Hasen, der Traini prophezeit, dass er bald das Angebot über eine günstige, luxuriöse Wohnung bekommen wird. Was auch so eintrifft und zu einem grimmigen Determinismus des Films führt, da sich Bonavia ebenso im Klaren ist, dass er an die Großen niemals kommen wird – was in einer Katastrophe endet. Untermalt wird das Geschehen dann noch von einem faszinierenden, ins Ohr gehenden Score von Meister Riz Ortolani.

Auf DVD gibt es dieses Meisterwerk von Koch Media, die eine sehr schöne Veröffentlichung vorgelegt haben. Der Film ist ungeschnitten, eine sehr lange Passage ist auf italienisch mit deutschen Untertiteln. Da hat sich allerdings der kleine Schönheitsfehler eingeschlichen, dass man von Hand die andere Untertitelspur anwählen muss, da die eigentlich dafür intendierte nicht vollständig ist. Das Booklet von Christian Kessler wirft auch immer die Namen Li Puma und Lomunno durcheinander, dafür gibt es ein prima Interview mit Hauptdarsteller Franco Nero, der über die Kollegen, Damiano Damiani und den Film spricht. Laut seiner Aussage ist „Der Clan...“ der am meisten verkaufte italienische Film aller Zeiten, noch vor Leones oder Fellinis Werken!

„Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“ ist also trotz des reisserischen deutschen Titels ein echtes Meisterwerk des intelligenten Politthrillers. Enorm spannend, trotzdem unaufgeregt und dialoglastig zeichnet der Film das Bild einer korrupten Gesellschaft und ist ein flammendes Plädoyer für den tatsächlich unbestechlichen und demokratischen Rechtsstaat. Getragen von zwei brillanten Hauptdarstellern, der sicheren Regie Damianis und nicht zuletzt dem grandiosen Score ist „Confessione di un Commissario di Polizia al Procuratore della Repubblica“, so der sperrige Originaltitel, eine Perle der Filmlandschaft der 70er Jahre. Exzellent!

Eine Rezension von David Kugler
(29. März 2009)
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Daten zum Film
Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert Italien 1971
(Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica)
Regie Damiano Damiani Drehbuch Damiano Damiani, Fulvio Gicca Palli, Salvatore Laurani
Produktion Euro International Film (EIA) Kamera Claudio Ragona
Darsteller Franco Nero, Martin Balsam, Luciano Catenacci, Marilù Tolo, Claudio Gora, Nello Pazzafini
Länge 101:01 FSK 16
Filmmusik Riz Ortolani
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