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Die Töchter des chinesischen Gärtners

Die Töchter des chinesischen Gärtners

Ein Film von Dai Sijie

In seinem von Kritik wie Publikum frenetisch gefeierten Liebesdrama Brokeback Mountain schilderte Regisseur Ang Lee vor drei Jahren auf einfühlsame und ergreifende Weise die Freundschaft zweier homosexueller Cowboys, die im rauen amerikanischen Mittelwesten der 60er Jahre beim einsamen Schafehüten zusammenfinden und sich unsterblich ineinander verlieben, ihre Zuneigung zueinander jedoch vertuschen müssen, weil sie sich ansonsten den Vorurteilen der erzkonservativen und intoleranten Bürger der US- Provinz ausgesetzt sehen würden. Trotz einiger heftiger Kontroversen, welche das Werk aufgrund der gewagten Thematik in seiner Heimat auslöste, erhielt Lee`s Meisterwerk den internationalen Zuspruch, der ihm gebührte. Einen ähnlichen Ansatz wählte etwa zeitgleich der asiatische Filmemacher Dai Sijie (Balzac und die kleine chinesische Schneiderin), nur dass er die Story seiner erotisch aufgeladenen amour fou “Die Töchter des chinesischen Gärtners” in den fernen Osten verlagerte und als Hauptfiguren zwei Frauen besetzte, deren innige Beziehung in einem Land, wo lesbische Liebe- und Homosexualität im Allgemeinen- verpönt und das Praktizieren derselben ein schweres Vergehen ist, keine Chance hat. Die französisch- kanadische Koproduktion ist zwar eine hervorragend geschriebene und gespielte sowie opulent bebilderte Studie einer
verbotenen Liebe, ging in den deutschen Kinos unverständlicherweise aber völlig unter.

Seit ihre Eltern bei einem Erdbeben ums Leben kamen, wächst die junge Li Min (Mylene Jampanoi) in einem wohlbehüteten Waisenhaus irgendwo in China auf. Nach vielen Jahren Aufenthalt bekommt sie das Angebot, ein sechswöchiges Praktikum an der Medizinischen Fakultät von Kunlin zu absolvieren. Der dort ansässige Professor Chen (Ling Dong Fu), ein Spezialist für chinesische Heilpflanzen, der einen riesigen botanischen Garten mitsamt Gewächshaus hält, ist ein strenger Herr, der, kaum dass er Li eingestellt hat, auf vergleichsweise bedeutungslose Lappalien wie Unpünktlichkeit unangemessen harsch reagiert. Der Professor hat noch eine Tochter, An (Li Xiaoran), die sich auf Anhieb zu der neuen Arbeitskraft ihres Vaters hingezogen fühlt. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich aus einer harmlosen Liebelei immer mehr eine leidenschaftliche Affäre, die das gesamte Bild der Gärnterfamilie aus dem Gleichgewicht zu bringen droht. Als Li Min An`s Bruder, den Soldat Dan (Wang Weidong), ehelichen soll, damit dessen Familienstand für die Zukunft gesichert ist, verhärten sich die Probleme…

Dass “Die Töchter des chinesischen Gärtners” global nicht die erhoffte Anerkennung des Massenpublikums erzielte, liegt sicherlich nicht nur daran, dass Dai Sijie`s im entlegenen China spielendes Drama im Schatten des dreifach Oscar- prämierten “Brokeback Mountain”, welcher ebenfalls eine unmögliche Liebschaft vor dem Hintergrund einer von engstirnigen Moralvorstellungen erfüllten Gesellschaft behandelte, kaum Gelegenheit hatte, sich zu profilieren. Der in fremder Kultur angesiedelte Stoff ist der westlichen Welt ohnehin schwer zugänglich und muss darüber hinaus vollkommen ohne bekannte Stars auskommen. Außer der Französin Myléne Jampanoi besteht der Cast ausschließlich aus asiatischen Darstellern, die abseits von Fernost nicht denselben Popularitätsgrad besitzen wie in ihrem Herkunftsland. Dies kann aber auch von Vorteil sein, wenn man bedenkt, dass die unverbrauchten Gesichter der sehr intimen Geschichte nur noch mehr Glaubwürdigkeit verleihen. Dass sich die Akteure durch die Bank als wahre Glücksgriffe erweisen, ist dabei mehr als nur eine angenehme Randerscheinung.

Bereits mit seinen ersten Einstellungen strahlt der Film eine ganz eigene Magie aus. Der bedächtige Prolog mit dem Off- Kommentar Li Mins und dem Eintreffen der jungen Medizinstudentin in dem gewaltigen Pflanzenkosmos von Mr. Chen lässt einen augenblicklich in das Geschehen eintauchen. Hier beginnt das Werk als von der Poesie der exotischen Schauplätze getragene Unschuldsromanze, die von Regisseur Dai Sijie behutsam vorangetrieben wird, so dass es die stillen Momente sind, die dem Betrachter eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Langsam entwirft Sijie ein prickelndes Liebesszenario zwischen zwei Seelenverwandten und schwelgt dabei in kunstvollen, gemäldeartigen Bildkompositionen, die den Eindruck einer sündhaften Verlockung inmitten dieses paradiesischen Garten Edens wirklich kongenial unterstreichen. Dass die homoerotische Beziehung von Li Min und An geheim gehalten werden muss, um den Segen der Familie und deren gesitteten Tagesablauf nicht ins Wanken zu bringen, ist den beiden Frauen zwar klar, welch unheilvollen Schweif die verhängnisvolle Affäre aber im Endeffekt tatsächlich nach sich ziehen wird, ist ihnen wohl zunächst nicht so ganz bewusst.

Ein weiteres Spannungsfeld entsteht, als Ans Bruder Dan eine Vernunftehe mit Li Min eingehen soll, was weder An noch Li Min selbst akzeptieren können. Später kommt letztere jedoch zu dem Schluss, dass eine Heirat mit dem aufdringlichen und tollpatschigen Soldaten vielleicht doch die beste Lösung wäre, weil nur so gewährleistet wäre, dass die beiden Frauen auf ewig zusammen sein könnten, ohne den misstrauischen Blicken des autoritären Gärtners ausgeliefert zu sein. Auf der Hochzeitsreise der beiden kommt es jedoch zu einem handfesten Streit, weil Dan entdeckt, dass Li Min keine Jungfrau mehr ist und diese ihm nicht sagen will, wer ihr die Unschuld geraubt hat. Dan wird daraufhin so wütend, dass er seine Angetraute windelweich prügelt und sie infolge dessen schließlich verlässt. Als Li Min von der Hochzeitsreise zurückkehrt, ist An entsetzt und berichtet ihrem Vater von dem eklatanten Vorfall. Dieser zeigt sich wenig erschüttert über das, was sein Sprössling getan hat und sagt lediglich, es sei “trotz allem sein Sohn”. Hier wird einerseits nochmals der Selbstzweck der Ehe zwischen Dan und Li Min offensichtlich, andererseits aber auch, dass hier von Anfang an ein unterschwelliger Konflikt- ausgehend vom herrschsüchtigen Professor- schwelte, der wie ein Damokles- Schwert über den Frauen baumelte und nun langsam aber sicher ans Tageslicht kommt.

Für den eingefleischten Cineasten mit Affinität zur asiatischen Filmindustrie mögen Ling Dong Fu, Wang Weidong und Li Xiaoran keine gänzlich unbekannten Namen sein, die prominenteste Vertreterin auf der Besetzungsliste ist allerdings Myléne Jampanoi, die jüngst in Pascal Laugier`s verstörendem Horror- Meisterwerk Martyrs einen bleibenden Eindruck hinterließ. Doch bereits unter der Regie von Dan Sijie legte Jampanoi ein beeindruckendes Zeugnis ihres Könnens ab. Die junge Aktrice, die schon 2004 in Luc Bessons “Die purpurnen Flüsse 2” eine kleinere Nebenrolle übernahm, zeigt in “Die Töchter des chinesischen Gärtners”, dass sie eine der interessantesten und talentiertesten französischen Schauspielerinnen ihrer Generation ist. Jampanoi`s dezentes Spiel ist gepaart mit ihrer atemberaubenden Leinwandpräsenz nur schwer zu schlagen. Ihre Filmpartnerin Li Xiaoran hält da durchaus souverän Schritt und kann wie Jampanoi von dem kraftvollen und emotionsgeladenen Drehbuch profitieren.

Fazit: “Die Töchter des chinesischen Gärtners” ist ein sinnlicher Gefühlsreigen, der in seiner reichhaltigen Pracht und Anmut sowie in seiner ernüchternden Hinwendung zu seinem grausamen Schicksal, welches sich wie eine antike griechische Tragödie über seine Protagonisten ausbreitet, an Jane Campions 1993 mit der Goldenen Palme in Cannes bedachtes Meisterwerk “Das Piano” erinnert. Großartig!

Eine Rezension von Christopher Michels
(05. Mai 2009)
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Daten zum Film
Die Töchter des chinesischen Gärtners Frankreich/China 2006
(Les Filles Du Botaniste)
Regie Dai Sijie Drehbuch Dai Sijie, Nadine Perront
Produktion UFA Kamera Guy Dufaux
Darsteller Mylène Jampanoï, Li Xiaoran, Ling Dong Fu, Wang Weidong
Länge 94 Minuten FSK ab 12
Filmmusik Éric Lévi
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