âWhat does the gun do?â
âIt shoots bullets. Really fast.â
Wer hat nicht schon einmal in einem unbedachten Moment die WohnungstĂŒr hinter sich zugezogen, nur um direkt danach zu bemerken, dass der WohnungsschlĂŒssel sich noch auf der Kommode im Flur befindet? Guter Rat ist hier meistens ĂŒberaus teuer und hört auf den Namen SchlĂŒsseldienst. Ein Problem, das schon uralt ist, aber sich einfach nicht aus der Welt schaffen lassen will. SchlĂŒsseldienste mĂŒssen ja auch von etwas leben.
Langer Rede kurzer Sinn: mit SchlĂŒsseln lĂ€sst sich schon das ein oder andere lohnende GeschĂ€ft machen, zumindest fĂŒr eine Partei. Dies muss ein junger Kleinkrimineller, der von Unbekannten regelrecht in den Tod gehetzt wird, schmerzhaft am eigenen Leib erfahren. Doch bevor er sterbend zusammenbricht, kann er Detective Joe Miller (Peter Krause, âSix Feet Underâ [2001 â 2005]) noch einen SchlĂŒssel ĂŒberreichen und einen Satz in Millers Ohr stammeln, der dessen Leben fĂŒr immer verĂ€ndern soll: âDieser SchlĂŒssel öffnet Ihnen jede TĂŒr.â Kurz darauf ist der junge Mann tot, und zurĂŒck bleibt neben einem Haufen unbeantworteter Fragen eben auch besagter MotelschlĂŒssel mit der Nummer 10. Eher durch Zufall kommt der Detective allmĂ€hlich hinter das Geheimnis des eigentlich unscheinbaren Gegenstandes: tatsĂ€chlich lĂ€sst sich mit ihm jede TĂŒr öffnen, doch was noch viel mysteriöser ist: jedes Mal findet man das aufgerĂ
€umte Zimmer 10 des Sunshine Motels an der Route 66 vor.
Schon bald wird klar, dass sich das Motelzimmer auĂerhalb von Raum und Zeit bewegt. Will man das Zimmer wieder verlassen, muss man einfach an den Ort denken, an dem man sein möchte, und gelangt durch die TĂŒr dorthin. Dummerweise funktioniert dies nur solange, wie man sich im Besitz des SchlĂŒssels befindet, andernfalls verschwinden die Grenzen von Raum und Zeit im unbekannten Nirgendwo. Genau diese leidliche Erfahrung muss Joes kleine Tochter Anna (Elle Fanning, â
Ein einziger Augenblickâ [2007]) machen, die von einem Moment auf den nĂ€chsten in dem mysteriösen Zimmer verschwindet und einfach nicht mehr aufzufinden ist. Was lieĂ Zimmer 10 zu dem werden, was es nun ist? Was geschah damals in dem Raum? Ist Anna noch zu retten? Ein rasantes raum- und zeitsprengendes Abenteuer mit neuen Freunden, unbekannten Feinden und seltsamen weiteren GegenstĂ€nden bahnt sich an...
Dreh- und Angelpunkt der fĂŒr den
Sci Fi Channel produzierten dreiteiligen Mysteryserie
âDAS VERSCHWUNDENE ZIMMERâ (
âThe Lost Roomâ) ist, wie man schon erahnen kann, das titelgebende, in Wahrheit gar nicht mehr existente Zimmer 10. Bereits Stephen King, der Meister des Horrors, hat erkannt, dass einem Zimmer durchaus etwas Mysteriöses, Gruseliges anhaften kann, wie seine 2007 verfilmte Kurzgeschichte âZimmer 1408â unlĂ€ngst eindrucksvoll unter Beweis stellte. Fern ab von Monstern und Mutanten entwickelte sich hier vor den Augen des Zuschauers ein kafkaesker Alptraum mit Tiefgang, der mit einer gehörigen Portion Suspense aufwartete. Ist es nun Zufall, dass mit
Craig R. Baxley passenderweise ein Mann im Regiestuhl sitzt, der in den letzten Jahren vor allem etliche Ideen Kings fĂŒr das Fernsehen adaptiert hat (zuletzt âKingdom Hospitalâ [2004])? Auch Co-Regisseur
Michael W. Watkins kennt sich bereits bestens im Mysterygenre aus, inszenierte er doch immerhin 6 Folgen der bahnbrechenden Kultserie â
Akte Xâ. Gute Voraussetzungen also fĂŒr spannende Unterhaltung, und in der Tat erweist sich die knapp 4Âœ-stĂŒndige Miniserie als solider, besserer Vertreter des etwas in die Jahre gekommenen, streckenweise schwĂ€chelnden Mysterygenres, wenngleich ihr der ganz groĂe Wurf in der Gesamtbetrachtung dann doch verwehrt bleibt.
Die Geschichte um den alleinerziehenden, integren Polizisten Miller auf der verzweifelten Suche nach seiner kleinen Tochter ist zunĂ€chst einmal clever gestrickt und hat es nicht nötig, sich etwaiger Genre-VersatzstĂŒcke zu bedienen. Trotz der sich im weiteren Verlauf auf dem Vormarsch befindenden KomplexitĂ€t und etlicher Undurchsichtigkeiten besinnt sich die mysteriöse MĂ€r um Macht, Vaterliebe und rĂ€tselhafte Ereignisse immer wieder rechtzeitig auf die solide aufgebaute dichte AtmosphĂ€re, was im Nachhinein einige HĂ€nger in Dramaturgie und Charakterzeichnung fast vergessen macht. Denn im GroĂen und Ganzen liegt das Niveau der TV-Produktion deutlich ĂŒber dem Durchschnitt, was sich gerade bei den (ruhigen) Motelzimmer-Szenen in der zunĂ€chst kargen, bei nĂ€herer Betrachtung aber ĂŒberaus effektiven und liebevollen Ausstattung bemerkbar macht. Selten zuvor wirkte ein Zimmer derart gemĂŒtlich auf der einen, entgegengesetzt unheimlich auf der anderen Seite. Auch der von
Peter Krause eindrucksvoll verkörperte Detective Miller kann sich trotz der Trauer ĂŒber den drohenden Verlust seiner Tochter der Faszination des Raumes schlichtweg nicht entziehen. Dabei scheint die Kargheit des Motelzimmers in mancher Szene geradezu exemplarisch fĂŒr die nun in ihm vorherrschende Leere zu stehen, getreu dem Motto: Zeig mir dein Zimmer, und ich sagâ dir, wer du bist, was du fĂŒhlst. Faszinierende, erschĂŒtternde Einblicke in eine geplagte menschliche Seele.
Untermalt von einem minimalistisch-genialen Soundtrack aus der Feder von
Robert J. Kral (âDas Haus der DĂ€monenâ [2009]) entwickelt sich die Geschichte von
âDAS VERSCHWUNDENE ZIMMERâ beinahe mit der PrĂ€zision eines Schweizer Uhrwerks, einige Ungereimtheiten mal auĂen vorgelassen, denn immerhin befinden wir uns im Mysterygenre. Aber wehe, wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe! Denn Mystery hin, Mystery her: selbiges erweist sich nach der sorgfĂ€ltig aufgebauten Geschichte als beinahe mittelschwere EnttĂ€uschung, was der an sich guten Miniserie dann auch einen Stern in der Endwertung abspenstig macht. Zu gerne wĂŒrde man erfahren, welches schicksalhafte Ereignis im Jahre 1961 nun genau den geheimnisvollen Ereignissen voranging und Zimmer 10 zwischen Raum und Zeit bannte. Doch die hingeworfenen HĂ€ppchen sind schlicht nicht groĂ genug, den aufkommenden Auflösungshunger vollends zu stillen. Eine Möglichkeit erscheint gar selbst fĂŒr eine Mysteryserie allzu weit hergeholt, als dass man sie ohne Murren und guten Gewissens vertreten könnte. Nicht umsonst prĂ€sentiert uns die Miniserie im Laufe des Abenteuers zwei Gruppen mit unterschiedlichen Ansichten ĂŒber die HintergrĂŒnde um Raum Nummer 10, ohne jedoch auch nur einen Augenblick lang das Hauptaugenmerk auf diese oder jene âeinzig wahre Wahrheitâ zu lenken. Gibt es diese ĂŒberhaupt? Oder soll âdas Ereignisâ wirklich nur auf diese Phrase reduziert bleiben?
Auf der einen Seite ist es ein wenig ernĂŒchternd, derart nonchalant aus der ĂŒberaus kurzweiligen Produktion geworfen zu werden, freilich, denn bis zu diesem Punkt ĂŒberzeugt
âDAS VERSCHWUNDENE ZIMMERâ mit Witz, Spannung und ausgefeiltem Drehbuch fast ausnahmslos. Auf der anderen Seite tummelt sich aber ein Gedanke, der bei reiflicher Ăberlegung immer deutlicher Gestalt annimmt: Straft uns hier eventuell nur unsere allzu starre Erwartungshaltung? Sollen Mysterien nicht eben die ungeklĂ€rten, seltsamen VorfĂ€lle bleiben, die dem Genre Mystery auch in Zukunft einen gesunden NĂ€hrboden fĂŒr neue FrĂŒchte bieten? Eine Frage fĂŒhrt hier zur nĂ€chsten, ohne dass auch nur eine Antwort in greifbarer NĂ€he ausfindig zu machen wĂ€re. Vielleicht soll es ja so sein, vielleicht. Denn wie bereits eingangs festgestellt wurde, lassen sich manche Probleme einfach nicht aus dieser Welt schaffen.
Wo lag doch noch gleich mein WohnungsschlĂŒssel?