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Interstellar

Interstellar

Ein Film von Christopher Nolan

Der Regisseur und Drehbuchautor Christopher Nolan, gerne als Regiewunderkind verschrien, dürfte sich mittlerweile eigentlich damit abgefunden haben, bei jedem seiner Filme in Windeseile im Mittelpunkt etlicher Fandiskussionen zu stehen. Seine Werke sind schließlich immer eines: ambitioniert. Und meistens ist es gerade diese Tatsache, an der sich der ein oder andere Zuschauer letztlich stößt. Denn nie kann ein Regisseur es allen recht machen. Exemplarisch geben Nolans Werke seit jeher ein wunderbares Fallbeispiel dafür ab, dass Filmen auch immer wieder Gegensätze anhaften: Denn was der eine liebt, hasst der andere, oder: Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt.

Aus diesem Grund möchten wir für mannbeisstfilm heute ausnahmsweise einmal Neuland betreten und „INTERSTELLAR“ (2014), das aktuelle Werk von Nolan, in Gestalt eines Dialogs ohne einleitende Sternchen-Bewertung besprechen, in dem hoffentlich die unterschiedlichen Herangehens- und Sichtweisen, mit dem sich der Zuschauer dem Werk nähern könnte, erkennbar werden. Wir, die Autoren Dr. Asokan Nirmalarajah (AN) und Stefan Rackow (SR), erhoffen uns hiervon zum einen interessante Einblicke in ein diskussionswürdiges Werk, zum anderen einen deutlichen Mehrwert für den Leser, der sich einmal nicht der Meinung eines einzelnen Autors ausgesetzt sieht, sondern bestenfalls zwei Seiten der Medaille präsentiert bekommt:
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SR: „INTERSTELLAR“ definiert sich meinem Empfinden nach zuvörderst über Gefühle respektive den bloßen Anschein, Emotionalität zu verkörpern, was der Geschichte über das drohende Ende der Welt und einer (wenig subtilen) Zurschaustellung von entzwei gerissenem Familienglück geschuldet ist. Was ja an und für sich eine gute, erstrebenswerte Sache darstellt. Das Problem ist nur: Nolan, dem ja gerne vorgeworfen wird, über seine Ambitioniertheit den Menschen im Film zu vergessen, übernimmt sich dieses Mal leider gehörig mit seinem Vorhaben und legt mit seinem Sci-Fi-Drama „INTERSTELLAR“ für mich den bisher kühlsten und distanziertesten Film seiner Karriere vor. Ein Punkt, der mir jedoch erst einige Tage nach der Kinosichtung gewahr wurde, woraufhin sich die anfängliche Überwältigung (ich habe den Film seinerzeit im Berliner Zoopalast in 70mm gesehen) in eine mittelschwere Enttäuschung auf hohem Niveau wandelte. Hat sich Dein Ersteindruck mit der Zeit auch verändert, Asokan?

AN: Nicht ganz. Meine Sichtung von „INTERSTELLAR“ ist zwar auch einige Wochen her. Aber leider kam ich im Unterschied zu Dir nicht in den Genuss, die bildgewaltige Produktion in der bestmöglichen Auflösung auf der Leinwand (oder besser noch im IMAX-Kino) zu sehen. So wie sein unmittelbarer thematischer wie stilistischer Vorläufer, Stanley Kubricks 2001- Odyssee im Weltraum (1968), fordert Nolans Film den Zuschauer geradezu dazu auf, die unendlichen Weiten des Weltraums (und im nächsten Schritt der menschlichen Psyche) in 70mm zu erleben.

So stellte sich die Enttäuschung, von der Du sprichst, bei mir schon beim Sehen ein. Denn ohne die überlebensgroßen Bilder und die bombastische Soundanlage erweist sich „INTERSTELLAR“ tatsächlich als ein etwas ungelenk konstruiertes und erzählerisch missglücktes Unterfangen. Das Problem der nicht ganz überzeugenden Emotionalität des Films, das Du anschneidest, hatte ich auch. Der unverhältnismäßigen, holzhammerartigen Betonung der Familiengefühle in den Dialogen und im Spiel der durchaus soliden Besetzung steht die sterile, verkopfte Inszenierung Nolans gegenüber. An der Stelle eines chronisch menschelnden Kinoerzählers wie Steven Spielberg tut sich Nolan mit seiner kühlen, düsteren Noir-Sensibilität eher schwer. Nolan ist gut für knifflige Plots, verbitterte Antihelden und ungemütliche urbane Räume, in denen das Chaos regiert und die Hoffnung am Ende triumphiert. War nicht immer schon der Grund für all diese Fandiskussionen seine Affinität für verschachtelte Erzählstrukturen und mindfuck-Wendungen und weniger seine emotional berührenden Helden? War Nolan nicht vielleicht der falsche Regisseur für ein SciFi-Familiendrama, Stefan?
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SR: Nicht unbedingt der falsche. Falsch ist so ein hartes Wort. Gibt es den überhaupt, den richtigen Regisseur? Ich würde Nolan weniger aufgrund seiner Film-Vita, sondern eher wegen künstlerischer Nebenaspekte als weniger geeignet für ein derartiges Projekt bezeichnen. Denn dass er mit der Materie Film an sich und dem Geschichtenerzählen umzugehen weiß, hat er mehrfach bewiesen. Mein Nolan-Liebling ist ja etwa nachwievor Memento (2001), kein SciFi-Familiendrama sicherlich, aber ein schöner Beweis dafür, dass Nolan auch menschliches Drama beherrscht. Nur wusste Memento seinerzeit etwas vorzuweisen, das das menschliche Drama für den Zuschauer noch intensivierte: die rückwärts laufende Filmhandlung. Ein solches Gimmick besitzt „INTERSTELLAR“ nun gerade nicht, weshalb der emotionale Aspekt gänzlich auf den Charakteren lastet, die sich in einer mehr oder minder linear erzählten Geschichte durch Zeit und Raum bewegen. Und hier versagt „INTERSTELLAR“ dann auch für mich, da ein Nolan-Film immer nur so gut ist wie das Gimmick, das der jeweilige Film bereithält. In der Vergangenheit waren das etwa der kongenial besetzte Joker in The Dark Knight (2008) oder sich vor unseren Augen biegende Traumwelten in Inception (2010): Jetzt gibt es einen salbadernden Roboter, dessen Humor sich mit der vorherrschenden Grundstimmung des Films beißt, und ein nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten getrickstes Schwarzes Loch, welches irgendwie jede Emotionalität aufzusaugen scheint. Auch wenn die Effekte solide ausfallen: Erwarten wir inzwischen vielleicht einfach zu viel von einem Nolan-Film? Neue Gimmicks? Tricks? Twists?

AN: Mein Lieblings-Nolan ist auch Memento, weil er bei aller ausgeklügelter Erzähltechnik vor allem durch das erschütternde Schicksal seines Protagonisten zu fesseln weiß, der aufgrund seiner Gedächtnisschwäche nie die Erlösung finden kann, nach der er so verzweifelt sucht. Ich hoffe, dass Nolan nicht dasselbe Schicksal ereilt wie seinen Regiekollegen M. Night Shyamalan. Von dem „The Sixth Sense“-Regisseur erwartete man irgendwann auch nur noch erzählerische Kapriolen und überraschende Wendungen und achtete nicht mehr auf seine doch beachtlichen Inszenierungskünste, die sich aber leider alsbald in unsägliche Sci-Fi/Fantasy-Projekte verliefen. Das Gimmick, das Alleinstellungsmerkmal von „INTERSTELLAR“, ist vermutlich das Finale, in dem unser weltraumreisender Held (Matthew McConaughey, der die Geschichte mit seinem unaffektierten Spiel gut erdet) in Dimensionen vorstößt, die kein Mensch zuvor betreten hat. Die dadurch entstehende Anfang-Schluss-Bindung des Plots birgt einige der beliebten Paradoxien von Zeitreisegeschichten, aber kommt viel zu spät, um die spannungsarme Geschichte aufzufangen, die sich im freien Fall befand bis zu dem interessanten Auftritt von Matt Damon im letzten Drittel. Waren alle Nolan-Filme bisher trotz mancher Schwächen eigentlich immer durchweg unterhaltsam, fand ich „INTERSTELLAR“ oft bemüht und ambitioniert, aber nicht souverän und mitreißend. Vielleicht liegt dort vielmehr die Enttäuschung. Wie involvierend fandest Du den Film, Stefan, und wurdest auch Du immer wieder von den anstrengenden Soundcollagen aus dem Film gerissen wie ich?
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SR: Ach ja, der gute Hans Zimmer... Angenommen, die Sogwirkung des Schwarzen Loches hätte durch die Leinwand hindurch direkt auf mich Einfluss genommen, so wäre der Zimmer-Score wahrscheinlich mein Anker gewesen, der mich im Hier und Jetzt hält. Ich weiß bis heute nicht, ob ich die Sounduntermalung, sowohl in musikalischen als auch sonstigen Belangen, unfassbar gut oder gnadenlos unpassend finden soll. In jedem Fall unterstützte Zimmers penetranter Orgel-Score zu Anfang noch gut die pessimistische Weltuntergangsstimmung, tönte mit zunehmender Laufzeit aber derart pompös aus allen Richtungen des Kinos, dass teils das gesprochene Wort der Protagonisten nicht mehr verständlich war. Als wenn ihm angesichts der Katastrophe sowieso keine Bedeutung mehr zukommt. Ja, ich weiß, dass das angeblich von Nolan genau so beabsichtigt war, wie er nach etlicher Kritik an der angeblich miserablen Soundmischung schließlich reumütig zugab. Es ließ mich aber zum Teil regelrecht erzittern (vielleicht lag es auch einzig an der bassgeschwängerten Vorführung). Ein wirkliches Teilhaben an den Schicksalen auf der Leinwand war so, zumindest für mich, aber nicht möglich. In Erinnerung bleibt nach einigem Sackenlassen bloß noch pures, gleichwohl solides Überwältigungskino für die Sinne, in dem, überspitzt gesagt, die Menschen eher die zweite Geige spielten. Da kam die Pause zum Lufholen nach etwa der Hälfte gerade recht, denn mit Sicherheit waren dies für mich die bisher anstrengendsten 170 (Film-)Minuten. Was sagt das nun über den Film aus?

AN: Anstrengend ist eine gute Beschreibung von „INTERSTELLAR“, aber leider nicht im positiven Sinne. Der Film ist nicht anstrengend anspruchsvoll, sondern anstrengend zerfahren. Dabei sind seine unterschiedlichen, aber wenig homogen zusammengeführten Ansätze durchaus ansprechend. Nolan will hier viel erreichen: 1. ein überwältigendes Fest für Augen und Ohren, das in Erinnerung bleibt, 2. eine emotional mitreißende, sehr amerikanisch lokalisierte Vater-Tochter-Geschichte, 3. einen wissenschaftlich fundierten, kniffligen Thriller über intergalaktische und interdimensionale Flüge, und 4. ein mit einem „lustigen“ Sidekick aufgelockertes Actionabenteuer. Leider hat mich keins dieser Genre-Elemente überzeugt. Vielleicht wirkt deshalb auch Hans Zimmers mal brilliante, mal erschlagende Musik so seltsam. Zimmers Beitrag zu Nolans Batman-Filmen und vor allem zu Inception fand ich phänomenal gut. Hier ist er Teil eines wirklich konfusen Sound-Mixes, wie Du das gut beschrieben hast. Am Ende bleibt auch für mich nur aggressives Überwältigungskino (gutes Wort!) übrig, das durchaus seine Schauwerte hat, aber nicht ganz zusammenkommt zu einem stimmigen und mitreißenden Ganzen. Dennoch, vermute ich mal, sind wir beide schon gespannt auf den nächsten Nolan! ;)

SR: So lässt es sich durchaus zusammenfassen. Das nächste Projekt soll sich ja bereits in den Startlöchern befinden.

Und damit endet diese jüngste Fandiskussion um einen Nolan-Film. Wir freuen uns über eine Fortsetzung unserer Debatte in den Kommentaren. Wie hoch ist Nolan mit „INTERSTELLAR“ für Euch geflogen und wie tief ist er dabei vielleicht gefallen?

Cover & Szenenbilder: © Warner Bros.


Eine Rezension von Asokan Nirmalarajah und Stefan Rackow
(27. Juli 2015)
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Daten zum Film
Interstellar USA 2014
Regie Christopher Nolan Drehbuch Jonathan Nolan, Christopher Nolan
Produktion Paramount Pictures / Warner Bros. Pictures / Legendary Pictures / Lynda Obst Productions / Syncopy Kamera Hoyte Van Hoytema
Darsteller Matthew McConaughey, Anne Hathaway, Jessica Chastain, Michael Caine, Topher Grace, Casey Affleck, Matt Damon, Wes Bentley, John Lithgow, Mackenzie Foy, Ellen Burstyn, Andrew Borba, Leah Cairns, Liam Dickinson, William Devane, Francis X. McCarthy, Collette Wolfe, David Oyelowo, Timothée Chalamet
Länge 169 Minuten FSK ab 12 Jahren
https://interstellar.withgoogle.com/
Filmmusik Hans Zimmer
Preise und Auszeichnungen Oscar 2015 for Best Achievement in Visual Effects
Kommentare zu dieser Kritik
Bastian TEAM sagte am 27.07.2015 um 18:42 Uhr

Auch wenn ich inzwischen auf einer anderen Filmseite wandle und dort bereits nach der PV eine Rezension (http://www.filmfutter.com/interstellar/) zu Interstellar veröffentlicht habe, kehre ich hier dennoch gern für einen kurzen Gastkommentar zurück ;-)

Da in Köln deutschlandweit die erste PV zu Interstellar stattgefunden hatte und auch international zu dem Zeitpunkt so ziemlich keine Meinungen zu dem Film durchgedrungen waren, war die Vorstellung also "ein Sprung ins kalte Wasser". Nolan, Kubrick, Spielberg, andere Hans Zimmer-Textur...das waren von der groben Handlung die einzigen Vorabinfos, die ich in den Saal mitgenommen hatte (übrigens nicht die IMAX-Version!). Nun, knapp drei Stunden später kam ich zunächst etwas unentschlossen aus dem Kino. Handwerklich 1A, keine Frage. Ambiotiniert erzählt, ja, keine Frage. Tolle darstellerische Leistungen? Definitiv!
Doch nun zu dem Punkt, den ihr beide auch anschneidet: Die Emotionen. Ja, Interstellar ist vor allem im Vergleich zu dem extrem gefühlslastigen zweiten Trailer (Spielberg lässt ausdrücklich grüßen) irgendwie unterkühlt. Nicht das warme Gefühlsbad, das man möglicherweise vorab erwartet hätte. Allerdings auch nicht ganz so distanziert wie Nolans erklärtes Vorbild Kubrick.
Am Ende, das in eurem Text als "Mindfuck" umschrieben wird, musste ich ebenfalls erstmal an Herrn Shyamalan denken. Das musste man erstmal sacken lassen.

Doch je länger ich über Interstellar nachdenke (auch noch nach meiner bereits äußerst positiven Kritik), je mehr gewinnt der Film bei mir an Substanz...vielleicht auch gerade deshalb weil er einem nicht direkt wie ein verliebtes Hundebaby in den Arm gesprungen ist, sondern - im Gegensatz zu seiner blockbustertauglichen Inszenierung - erzählerisch den schwierigsten Weg von allen "Nolans" gewählt hat. Zum Teil ist Interstellar pures Abenteuerkino, was man bei einer Reise in ferne Dimensionen auch erwarten durfte, aber - und das vermittelt der Film durchweg deutlich - im Mittelpunkt steht das Drama. Und das ist trotz aller Distanz schlußendlich ergreifend. Vielleicht auch nicht "trotz", sondern "wegen"...schließlich ist die zeitliche und räumliche Distanz, die - Achtung Spoiler! - am Ende nur von der Liebe (oder sagen wir vielleicht: dem gegenseiten Glauben oder Vertrauen) überwunden wird und schließlich sogar die Menschheit rettet, das größte Element in Interstellar. Somit ist die "Zeitreise" am Ende auch nicht wirklich der Mindfuck als der er sich visuell vorstellt. Die "Heldin" der Geschichte ist dann auch nicht der Vater, der in ferne Welten aufbricht, sondern die Tochter, die das Rätsel entschlüsselt. Murph glaubt letztlich an die Worte von Cooper und dieser vertraut in ihren Scharfsinn, wodurch durch Raum und Zeit eine Verbidung zwischen ihnen entsteht. Das kann man natürlich auch als den großen SciFi-Twist der Story sehen...für mich bleibt Interstellar ein reichlich persönlicher Film und womöglich Nolans persönlichster. (Ich mag übrigens Memento am wenigsten von seinen Filmen und würde auf Platz 1 Inception und Platz 2 bereits Interstellar setzen ;-))

So, da das alles reichlich schnell runtergetippt war, hoffe ich auf nicht zu viele konfuse Gedankensprünge und möglichst wenige Tippfehler meinerseits :-)

Einige sehr schöne Gedanken zu Interstellar gibts übrigens hier: https://www.youtube.com/watch?v=YPYlK1pRptc
Ein äußerst interessanter Kanal, auch wenn meine Meinung öfter konträr geht ;-)

Asokan TEAM sagte am 28.07.2015 um 13:11 Uhr

Danke für den "Gastkommentar", Bastian! Ich denke wir wandeln alle auf mehreren Filmseiten, letztlich zählt nur der rege Austausch über Film! ;)

Deine Beschreibung von INTERSTELLAR erinnert mich etwas an die Beschreibung von AI - ARTIFICIAL INTELLIGENCE in vielen Kritiken. Das war ja gerade ein abgebrochenes Kubrick-Projekt, das Spielberg fertig filmte. INTERSTELLAR hingegen wirkt wie ein Spielberg-Film, den Kubrick gedreht hat. ;)

Tatsächlich habe ich Rezensionen gelesen - wie die von Walter Chaw (http://www.filmfreakcentral.net/ffc/2014/11/interstellar.html), die von der Pointe des Films und der Vater-Tochter-Geschichte ergriffen waren. Das war bei mir nicht so der Fall. Aber solche Sachen kann man auch nicht pauschal erklären. Etwas bewegt einen oder nicht. Ich für meinen Teil wäre fast weggepennt. Somit für mich der schwächste Nolan bisher.
Bastian TEAM sagte am 28.07.2015 um 14:39 Uhr

Hm, also dass Nolan für Kubrick schwärmt ist ja kein Geheimnis. Aber sich stilistisch bei Meister Kubrick zu bedienen verstehe ich eh nicht als Vorwurf. Ich meine, hey, Tarantino stückelt sich einen Großteil seiner Werke aus der Filmgeschichte zusammen und dennoch bleibt die Handschrift unverkennbar und der Film am Ende ein "Tarantino". Das attestiere ich inzwischen auch Nolan (übrigens seit Insomnia) und auch Interstellar. Die Entstehung von AI ist natürlich jetzt ein passendes Beispiel, wobei ich da ohne das Vorwissen nie an Kubrick gedacht hätte da das Spielberg in Reinkultur ist.

Wie gesagt, ich bestätige - wie auch alle, mit denen ich unmittelbar nach der PV gesprochen habe - dass Interstellar wohl Nolans sperrigster ist. Das liegt aber nicht so sehr an einer komplizierten Handlung oder dem anfangs gewöhnungsbedürftigen Finale, als vielmehr an der schwierigen Figurenkonstellation. Und mit schwierig meine ich nicht "schlecht gezeichnet", sondern dass die Charaktere nicht unbedingt durch die Bank filmartig-heldenhaft und edel sind, sondern Fehler haben und sich in schwierigen Konflikten befinden. Und der Vater-Tochter-Konflikt ist schon bitter im Film, auch ohne John Williams-Klänge und die - sagen wir mal frech - "E.T.-Tränendrüse" ;-) Der emotionale Höhepunkt, die fast zu späte Wiederkehr des Vaters zu seiner auf dem Sterbebett liegenden Tochter wird dann von Nolan recht nüchtern ohne Pauken und Trompeten eingefangen, die Opfer, die beide gebracht haben aber dennoch sehr deutlich. Ich finde das gerade in der reichlich formatierten Kinolandschaft schon erfrischend und mutig.

Aber hier kann man natürlich ewig diskutieren und am Ende dürfte man sogar sagen: Ich mag Interstellar einfach nur weil er gut aussieht ;-) Ich glaube, zumindest darauf können wir uns einigen. Ich hab den Film inzwischen dreimal gesehen und er gehört neben Nightcrawler, Foxcatcher, Inherent Vice und Am Sonntag bist du tot ist meine Top 5 des 2014er Jahrgangs.

Was ich übrigens generell interessant finde und Stefan hat es auch hervorgehoben: Auch Interstellar-Zyniker mögen den Hans Zimmer-Score. In meiner Kritik war er ein Punkt, der den Film etwas unter Inception setzt. Vielleicht hab ich echt was auf den Ohren, aber ich hab echt im Kino die Ohren gespitzt da mich der Inception-Soundtrack so begeistert hat. Dagegen fand ich den hier anfangs sehr subtil: irgendwie im Hintergrund, irgendwie "Signs". Das einzigen zwei Stücke, die sich bei mir echt eingebrannt haben, waren die mächtig orgelbetonten, die im Klimax und der anschließenden Andockszene unter(oder über?)gelegt wurden. Insgesamt ganz sicher hörenswert, aber die früheren Hans/Chris-Kollaborationen hab mich persönlich mehr gepackt.

Aber auch bei Musik sind die Geschmäcker natürlich verschieden :-)
Asokan TEAM sagte am 30.07.2015 um 07:13 Uhr

Ich verstehe nicht ganz Deine Abneigung gegen MEMENTO, Bastian! :) Nolans Handschrift (also unkonventionelle Erzählweise, traumatisierter, selbstzerstörerischer Antiheld, die tote, idealisierte Ehefrau, Film-Noir-Ästhetik, viele Dialogszenen für Exposition und Psychologie, clevere Actionszenen vor wichtigen Handlungswendungen etc.) findet man ja schon sehr stark ausgeprägt in MEMENTO (und davor auch in FOLLOWING und seinem kafkaesken Kurzfilm DOODLEBUG).
Und AI ist nicht wirklich „Spielberg in Reinkultur“ – vielleicht das phantastische Finale, aber nicht die seltsame, emotionsarme Menschenwelt, in der der Film davor spielt, und die dominanten Motive (das hyperintelligente, seltsame Kind, das unlesbare menschliche Gesicht etc.).
Sperrig sind die Figuren in INTERSTELLAR tatsächlich, aber nicht weil sie irgendwie komplex sind. Mehr weil sie langweilige Dinge tun und nicht sonderlich interessant sind.
Bei der Musik gebe ich Dir aber Recht. Irgendwie konnte ich nicht viel Zimmer raushören. Da mag ich lieber die Musik zu INCEPTION und BATMAN BEGINS!
Bastian TEAM sagte am 30.07.2015 um 09:47 Uhr

Eine Abneigung ist es nicht direkt. Allerdings ist mir Memento von allen Nolans stilistisch nicht besonders aufgefallen, die Charaktere und deren Schicksal hat mich (im Gegensatz zu Interstellar) nicht gekratzt und nachdem man einmal den Kniff des ganzen durchschaut hat waren weitere Sichtungen (zumindest für mich) langweilig. Ich fand ihn beim ersten Mal ganz nett, danach hab ichs noch ein paar Mal mit dem Film versucht, aber zwischen uns gibts keine Chemie ;-) Following hab ich übrigens nicht gesehen.

Mit "Spielberg in Reinkultur" (das meine ich übrigens nicht unbedingt als Kritik!) meine ich nicht das Phantastische. Spielberg steht ja auch nicht wirklich für eine bestimmte Art von Film. Dennoch ist AI emotional ganz anders aufgeladen als jeder Kubrick. Denk allein an diesen Teddybären. Wenn du sagen würdest, München sei kein "typischer Spielberg", darauf könnten wir uns einigen ;-) Klar hat AI andere Themen als ET, aber der ist auch wieder anders als Der weiße Hai und der wieder anders als Catch me if you can.

Ich finde die Figuren in Interstellar ja selbst gar nicht sperrig oder komplex, man weiss ja in jedem Moment wo sie stehen. Aber die Beziehungen zwischen ihnen sind unterkühlt, ja auch weil eben durch Raum und Zeit diese Kluft zwischen ihnen entsteht. Insofern ist Interstellar auch ein schönes oder besser unschönes Bild dafür wie grausam die Zeit sein kann. Und gleichzeit ist die Zeit vermutlich der beste Kritiker, denn wer weiss wie wir in ein paar Jahren zu Interstellat stehen werden? ;-)
Hm, "langweilige Dinge tun"? Keiner von ihnen ist Batman, das stimmt und sie sind im Grunde bodenständig gezeichnet. Langweilig unterschreibe ich deshalb aber nicht.




Asokan TEAM sagte am 05.08.2015 um 08:11 Uhr

Bei FOLLOWING hast Du nicht viel verpasst, der ist noch was verkopfter und sperriger als MEMENTO, hat aber auch eine achronologische Erzählstruktur und deutlichere Film-Noir-Ästhetik.

Sicherlich wird die Zeit zeigen, wo INTERSTELLAR letztlich in Nolans Oeuvre stehen wird. Derzeit überwiegt ja die Enttäuschung im Tenor der Kritiken. Muss man mal schauen. Heute gilt ja auch THE PRESTIGE als „eigentlich bester“ Nolan.

Und ja, niemand ist so aufregend wie Batman! ;)
Bastian TEAM sagte am 06.08.2015 um 11:53 Uhr

Also hätte Memento mich von den Charakteren und der Story mehr gefesselt hätte ich nichts gegen verkopft gehabt ;-)
Das stimmt, der Tenor ist nicht so ausgefallen wie man es im Vorfelde vielleicht erwartet hätte und auch die Academy hat Interstellat weitgehend ignoriert. Aber auch wenn ihn in Zukunft keiner mag: Mir gefällt er ;-) Wobei mir in letzter Zeit heufig von der Kritik gedisste Filme zusagen, so auch Scotts The Counselor oder Goslings Lost River :-)
Ok, aber nur mit Michael Keaton drunter ;-)

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