„Big things have small beginnings.“
„
Alien“ [1979] und „Blade Runner“ [1982] – zwei echte Science-Fiction-Meilensteine, ein Name. Starregisseur
Ridley Scott, ein Mann mit visuellem Einfallsreichtum, dabei äußerst engagiert und zielstrebig, schuf die Grundlage für eine ganze Reihe an Nachfolgeprojekten, die den Originalen jedoch nie so recht das Wasser reichen konnten. Warum, wissen wohl nur die Sterne. Und wahrscheinlich auch Scott, der nun, 30 Jahre nach seinem letzten Ausflug in fremde Welten, erneut die Reise ins Unbekannte antritt. Und keine Frage:
„PROMETHEUS – DUNKLE ZEICHEN“ ist alles, nur kein mildes Alterswerk des mittlerweile 73jährigen. Doch lässt sich nicht verleugnen, dass der große, erneute Wurf diesmal ein wenig schwächer als erwartet ausfällt. Aber beginnen wir am Anfang:
Die Geschichte von
„PROMETHEUS“ gibt sich zunächst einmal vielseitig, verspielt und ambitioniert, lässt sich bei genauerem Hinsehen dann aber doch in wenigen Sätzen zusammenfassen: Ein Forscherteam rund um die Archäologin Elizabeth Shaw (Noomi Rapace) und den Androiden David (Michael Fassbender) bricht in der nahen Zukunft des Jahres 2089 ins Weltall auf, um der spannenden Frage nachzugehen, ob das Leben auf der Erde, so wie wir es kennen, möglicherweise auf einem fernen Planeten en
tstanden sein könnte. Doch was mit der Entdeckung uralter Wandmalereien, die immer wieder eine bestimmte Sternenkonstellation zeigten, noch als Hoffnung auf eine bahnbrechende Entdeckung, als Reise ins vermeintliche Paradies begann, entwickelt sich bereits innerhalb kürzester Zeit zum blanken Horrortrip, der den Forschern Unvorstellbares abverlangt…
WENN EINER EINE REISE TUT, DANN KANN ER WAS ERLEBEN. Und Ridley Scott holt mit seinem Science-Fiction-Horror gleich besonders weit aus, indem er uns mitnimmt zum vermeintlichen Anbeginn der Menschheit und nebenbei die Frage stellt, die viele beschäftigt: Woher genau kommen wir? Und warum? Eingekleidet in ausladende, faszinierende Bilderpanoramen voll anmutiger Schönheit erzählt Scott vom Leben, dem Universum und findet irgendwie sogar noch Platz für den ganzen obligatorischen Rest, ohne sein Werk vollkommen zu überladen. Der obligatorische Rest, das sind jene Momente, die abseits aller religiöser Vorzeichen und Deutungen, die teils mehr, mal weniger gekonnt in das Story-Gerüst eingeflochten wurden, dem konventionellen Blockbuster-Geschmack frönen und leider mehr als nur einmal die eigentlich interessante Grundidee in den Hintergrund drängen. Dorthin, wo es merklich ruhiger zugeht, in den Schatten einer großen Vision, die bei genauerer Betrachtung eher kleingeistig und nicht etwa – wie erhofft – großangelegt daherkommt. Dabei geben sich Scott und seine beide Drehbuchautoren redlich Mühe, eine unheilvolle Stimmung zu kreieren, die den klaustrophobischen Filmmomenten, die Scott am Anfang seiner Karriere äußerst gekonnt zu inszenieren vermochte, so gut wie ebenbürtig ist. Doch tolle Bilder, grandiose (3D)-Effekte und eine Atmosphäre, die derart dicht erscheint, dass man meint, sie mit einem Messer schneiden zu können, können nicht über eine Geschichte hinwegtäuschen, die letzten Endes mehr verspricht, als sie dann tatsächlich halten kann.
Ein wenig Schuld daran tragen, wenn man so will, die immensen Vorschusslorbeeren, die dem Werk vor Kinostart zuteil wurden. Ein Quasi-Prequel zum Kultfilm „Alien“, das offene Fragen beantworten und den Bogen zu den bisher vier Teilen der Saga spannen soll, hört sich ja auch im ersten Moment recht vielversprechend an. Doch nach Begutachten des fertigen Films bleibt ein wenig Ernüchterung zurück. Sicherlich sind hier und da etliche Querverweise zu den filmzeitlich gesehen nachfolgenden Filmen eingebaut, wobei gerade das (hier natürlich nicht verratene) Ende von
„PROMETHEUS“ wenig subtil die Offenkundigkeits-Keule gen Zuschauer schwingt. Jedoch erzählt
„PROMETHEUS“ über den Großteil seiner zweistündigen Laufzeit (noch) eine eigenständige Geschichte, die irgendwie in das Gesamtkonzept zu passen scheint, diesem aber wenig Neues hinzuzufügen vermag. Denn das gravierende Problem ist, dass das Drehbuch schlichtweg nicht zu Ende erzählt, was es zu Ende erzählen könnte, sondern sich vielmehr in bedeutungsschwangeren Andeutungen verliert, die zwar nach dem Abspann für Gesprächsstoff sorgen werden, den Film aber über Gebühr auf ein Level mit anspruchsvollen Genrevertretern zu heben versuchen. Das ist einerseits mutig und in Anbetracht möglicher Fortsetzungen vielleicht sogar sinnvoll; andererseits schadet es Scotts Science-Fiction-Horror im Moment leider ungemein, da der Eindruck entsteht, dass selbst die Drehbuchautoren nicht so recht wussten, wie sie ihre Handlungsfäden logisch zusammenführen sollten.
„DR. SCOTT, BITTE IN DEN OP!“ Besonders deutlich wird dieser Umstand dadurch, dass Gottes (?) Schöpfung, der Mensch, im Film in sämtlichen Klischees vertreten ist, aber im Großen und Ganzen wenig fassbar seinem Schicksal entgegen sieht. Von resolut-bestimmt über unvorsichtig-dumm bis hin zu blass-nichtssagend laufen Scotts Protagonisten auf zum Ausverkauf, werden zum regelrechten Spielball der Evolution, fernab jeglicher Zivilisation, und irgendwie lässt es einen erstaunlich kalt. Einzig der gewohnt souveräne
Michael Fassbender („
Haywire“ [2012]) als Android David und
Noomi Rapace („
Verblendung“ [2009]) als toughe Heldin wider Willen schaffen es, einige Akzente zu setzen. Während es Ersterem gelingt, einem nicht-menschlichen Wesen so etwas Elementares wie Menschlichkeit, gepaart mit Undurchsichtigkeit, zu verleihen, obliegt es Letzterer, in der denkwürdigsten Szene des gesamten Films eine Abtreibung der besonders splattrigen Art über sich ergehen zu lassen, die den Sehgenuss auf eine wahrlich harte Probe stellt. Keine Frage: Hier jongliert Scott genüsslich mit den Versatzstücken seines frühen Science-Fiction-Erstlings, fügt ein paar kleine Variationen der blutigen Art hinzu – und verbeugt sich letzten Endes in diesen Momenten doch irgendwie „nur“ vor seiner eigenen Schöpfung, ohne deren alte Brillanz zu erreichen. Dies ist freilich Jammern auf nach wie vor hohem Niveau, das im Grunde vergebens ist. Denn wie hieß es damals so schön: Im Weltall hört dich, leicht abgewandelt, niemand klagen, was Ellen Ripley seinerzeit leidvoll am eigenen Leib erfahren musste.
Wenigstens gibt es in rein optischer Hinsicht keinerlei Grund zur Beanstandung, wenn die Digitalkünstler rund um WETA und Konsorten beweisen, wie teuer man ein für heutige Verhältnisse vergleichsweise geringes Budget von 130 Millionen Dollar im Endprodukt aussehen lassen kann. Und auch der Score von
Marc Streitenfeld und
Harry Gregson-Williams tönt auf höchstem Niveau, wenn er sowohl ruhige als auch actionreiche Momente mit den passenden Klängen untermalt. Technisch und inszenatorisch gibt sich Scott (mal wieder) keine Blöße. Das war, im Gegensatz zu den obigen Kritikpunkten, aber eigentlich auch zu erwarten.
Fazit: Wenn Ambitionen an zu hohen Erwartungen scheitern...
„PROMETHEUS - DUNKLE ZEICHEN“ ist ohne Zweifel ein optisch berauschendes Werk, das es hervorragend schafft, eine unheimliche Atmosphäre zu kreieren. Abseits davon schafft es der Film aber leider nicht, mehr zu sein als „nur“ ein überdurchschnittlicher Blockbuster.
„PROMETHEUS“ ist ehrgeizig, aber inkonsequent, versucht vielseitig zu sein und hinterlässt doch mehr Fragen als Antworten. In Anbetracht möglicher Fortsetzungen sicherlich verzeihlich. Als eigenständiger Film, der er nun einmal noch ist, summiert sich Ridley Scotts Science-Fiction-Horror für den Moment allerdings zu einer Enttäuschung auf hohem Niveau, die mit Qualität wirbt, am Ende des Tages aber erstaunlich konventionell daherkommt. Wie im Film wird wahrscheinlich auch in der Realität erst die Zukunft zeigen, wohin die Reise letztlich geht. Seien wir geduldig.