„Respect is fine, but actually I've always wanted to be feared.“
Einige von uns müssen jetzt ganz, ganz stark sein. Denn das, was nun folgt, betrifft mittlerweile etwa fünf Prozent aller Deutschen, glaubt man einer Studie der Technischen Universität Dresden aus dem Jahr 2007: Furcht vor Spinnen, die sogenannte
Arachnophobie. Urplötzlich verzerrt sich die Wahrnehmung, während Angstzustände gleich der verhassten achtbeinigen Arachniden hervorkriechen ans Tageslicht, um sich dort erstmal für längere Zeit einzunisten. Therapiesitzungen sollen dabei helfen, die Angststörungen nach und nach in den Griff zu bekommen. Doch dieses Vorhaben ist nicht immer von Erfolg gekrönt, so versponnen es sich auch anhören mag.
So hatte sich das Ehepaar Jennings (Jeff Daniels, „
Good Night, and Good Luck“ [2005], und Harley Jane Kozak, „Harry und Sally“ [1989]) ihren erst kürzlichen Umzug ins kalifornische Canaima sicher nicht vorgestellt. Sich schlagartig häufende Todesfälle fordern Ross Jennings Kenntnisse als Arzt, und schon bald steht fest: all die Toten wurden Opfer einer aus dem Dschungel von Venezuela eingeschleppten, agressiven Spinnenart, welche durch Paarung mit einer gewöhnlichen einheimischen Spinne noch gefährlichere Nachkommen zu zeugen scheint. Folge ist, dass innerhalb kürzester Zeit hunderte kleine Spinnen, eine tödliche Hybrid-Art,
die Gegend unsicher machen und immer mehr Einheimische zu Tode kommen. Plötzlich liegt es an Jennings, der drohenden Katastrophe Einhalt zu gebieten. Zu dumm nur, dass der Arzt selber panische Angst vor Spinnen hat...
Es kreucht und fleucht gewaltig in
„ARACHNOPHOBIA“, dem ersten (von bisher drei) Spielfilm(en) des hauptsächlich als Produzent tätigen
Frank Marshall („Überleben“ [1993], „Congo“ [1995]), Mitbegründer der Produktionsfirma
Amblin Entertainment. Die von ihm inszenierte 31 Millionen Dollar-Produktion bereitet eine der wohl bekanntesten Phobien überhaupt zu einem wilden Mix aus schwarzer Komödie und (Tier-)Horrorfilm auf, nur um dem Zuschauer immer wieder aufs Neue eine Tour auf der Gefühlsachterbahn zu bescheren, ganz egal, ob dieser noch will oder nicht. Die Jennings hat ja schließlich auch keiner gefragt, ob ihnen eine etwaige Spinnenplage gerade etwas unpassend wäre – warum soll es da dem Zuschauer besser gehen?! Hier wird noch mitgelitten, -gefiebert und –
Pfui Spinne! – weggeguckt. Ganz altmodisch. Die Krabbelviecher, die urplötzlich zu Hunderten auf Canaima und uns losgelassen werden, machen dieses Unterfangen aber auch wahrlich einfach. Zwar handelt es sich bei den Filmspinnen durchgehend um harmlose Avondalespinnen, die von
Steven R. Kutcher, welcher zuletzt beim ersten „
Spider-Man“-Film mitgewirkt hat, trainiert wurden. Das Gemeine ist jedoch, dass die Arachniden die ihnen anhaftende Harmlosigkeit zu keinem Zeitpunkt nach außen tragen, sondern bereits alleine durch ihr immenses Vorkommen wohlige Schauer herbeiführen. Spinnenliebhaber mal außen vorgelassen, sorgt hier die allgemein vorherrschende Spinnenabneigung in den meisten Köpfen schon für die Assoziation: Spinne = unbeliebt. Und plötzlich entsteht der Grusel ganz von alleine.
Der Kampf gegen die krabbelnde, ungeliebte Übermacht entwickelt sich so zu einem Kampf gegen etwas Alltägliches, der in seiner Ausgestaltung nicht notwendigerweise als pure Fiktion abgestempelt werden muss, sondern bereits von der Realität eingeholt wurde. Erst Mitte 2008 musste in Australien eine Klinik aufgrund einer Redback-Spinnen-Invasion für 24 Stunden geschlossen werden, um das komplette Gebäude auszuräuchern. Wenn nun
Jeff Bridges,
Harley Jane Kozak und
John Goodman („King Ralph“ [1991], „The Big Lebowski“ [1998]) als launiger Kammerjäger der Plage gegenübertreten, stehen sie hierbei exemplarisch für all die Leidgeplagten weltweit, die bereits beim Gedanken an Spinnen den rettenden Staubsauger in ihrer Nähe wünschen, vor Angst aber wie versteinert sind. Dieser Gruppe zeigt Marshalls Film auf durchaus eindrucksvolle und auch schwarzhumorige Weise, dass sich verkriechen nichts bringt. Ohne aufgesetzte Schockeffekte und mit viel Liebe zum Detail inszeniert, spielt die kurzweilige Schauermär mit unseren geheimen Ängsten und lässt schlimmste Befürchtungen mithilfe von einfachsten Mitteln Film werden. Im Grunde wird nicht der Spinne selbst, sondern der Angst
vor ihr der Kampf angesagt, was im etwas übertriebenen, dennoch stimmigen Ende mehr als deutlich wird: Mit der letzten Spinne findet hier auch die Arachnophobie ihr Ende, so könnte letztlich die Moral der linear erzählten Geschicht’ aus der Feder von
Don Jakoby („
Evolution“ [2001]) und
Wesley Strick („Doom – Der Film“ [2005]) lauten. Oder: Nenne einen Nageltacker dein Eigen.
„ARACHNOPHOBIA“ ist ein unterhaltsamer Horrortrip, der gepflegten, selbstgemachten Grusel anstatt aufgesetzter Schockeffekte präsentiert und gerade dadurch überzeugt. Frank Marshall schuf so mit einfachsten, nichtsdestotrotz äußerst effektiven Mitteln einen der besten Vertreter des modernen Tier-Horrors, der sich erfrischenderweise dabei selbst nicht zu übertrieben ernst nimmt. Wer diesem kurzweiligen Spaß bisher noch nicht ins Netz gegangen ist – wahrscheinlich waren die Augen die meiste Zeit des Films über vor Schreck verschlossen –, sollte ruhig einmal einen genaueren Blick riskieren. Denn wie war das gerade noch mit der Moral? Manchmal ist es gar nicht mal unschädlich, sich seinen Ängsten zu stellen. Film als Selbsttherapie, gewissermaßen.
I think I spider!